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Ein Tag in Barcelona (German Edition)

Ein Tag in Barcelona (German Edition)

Titel: Ein Tag in Barcelona (German Edition)
Autoren: Daniel Brühl , Javier Cáceres
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Möwen drehen ihre ersten Kreise, noch riecht es nach Salz und nicht nach Mensch und Abgasen.
    Ich sehe einen 24-Stunden-Pakistaner und kaufe mir eine frische Cola und ein paar Handtücher, denn ich habe einen genialen Entschluss gefasst. Ich werde diesen magischen Tag nicht einfach in meinem Bett abschließen, sondern mich nach einem frischen Bad im Meer dick einpacken und ein wenig am Strand dösen, bevor ich heimfahre. Das ist konsequent, man muss schöne Dinge auch würdevoll abschließen, alles andere wäre eine Beleidigung, eine Beleidigung dir gegenüber, Barcelona, die du mich heute aufs Feinste verwöhnt hast!
    Schwer beladen schreite ich dem Meer entgegen, der Konstanten, die immer an ihrem Platz ist und nicht verschwinden wird. Das Meer, das ich am Morgen vom Tibidabo aus betrachtet hatte. Wie das Meer wohl damit umgeht, plötzlich so viele Gäste zu haben? Den Strand gab es ja früher nicht, das vergesse ich immer. Vor den Olympischen Spielen haben sie hier »die Stadt zum Meer hin geöffnet«, wie es hieß, was auch damit einherging, dass viele Alteingesessene vertrieben wurden. Und die Stadt einem Lifting unterzogen wurde.
    Lass dich nicht zu vielen Schönheitsoperationen unterziehen, liebste Stadt, sonst siehst du irgendwann aus wie eine Diva voller Botox, die es nicht schafft, in Würde zu altern. Einiges an Schminke aus den Olympiajahren bröckelt ja schon, wie man auch an der Villa Olímpica sehen kann, der Betonmeile unten, die am Meer entlangführt. Auch das Forum, ein gigantisches Kulturzentrum, das vor ein paar Jahren errichtet wurde, zählt sicherlich nicht zu deinen Schmuckstücken. Aber noch kann dich nichts entstellen, du bist schließlich deshalb so schön, weil du nicht perfekt bist. Du bist kein Barbiepüppchen!
    Mit einem trotteligen Lachen schürze ich die Lippen und forme sie zum allumfassenden, ewigen Kuss, ein Kuss auf deine Wangen, auf deine Stirn und auf deinen rauen Mund, Barcelona. Ich schließe die Augen dabei, strauchele und hätte um ein Haar lediglich den Steinboden vor mir auf der Strandpromenade geküsst, wo fitte Frühaufsteher mitleidig an mir vorbeijoggen und satte Palmen friedlich vor sich hin säuseln.

    Das Ultramarin wird langsam zu Azur und flüstert mir zu. Ich streife die durchgelaufenen Schuhe ab und betrete den kühlen Sandstrand, der sofort meine Sinne belebt. Der Geruch aus einer verkrusteten Sonnencremeverschlusskappe kriecht mir plötzlich in die Nase, das Geräusch von einem Gummiball, der auf einen Holzschläger trifft, ein Wasserflugzeug brummt vorbei, mit einem Werbebanner als Schwanz, auf dem die nächste Dorfdisco angepriesen wird, kreischende Freundinnen, die mit ihren Fußspitzen in das kalte Wasser staksen, während Jungs hinter ihrer Sonnenbrille heimlich rüberspinksen. Dutzende solcher Sommerbilder rauschen durch meinen Kopf, erinnern mich daran, dass ich nächstes Jahr schon wieder einen neuen Sommer mit dir verleben werde, Barcelona.
    Der beseelte Ausdruck weicht auch nicht aus meinen Zügen, als einige Fischer weiter unten am Strand kein Interesse an meiner Harmoniesucht zeigen und meinen Gruß nicht erwidern. Sie hocken einfach nur da, spielen Domino auf einer Obstkiste und trinken dazu Kaffee mit Schuss. Ich habe keine Ahnung, ob sie schon gearbeitet haben oder gleich noch in See stechen, antworten tut mir jedenfalls keiner, als ich versuche sie anzusprechen. Ich bin ihnen nicht böse, ich hätte bei der rauen Arbeit auch keinen Bock, jedem besoffenen Vollidioten einen schönen Tag zu wünschen.
    Also weiter geht’s, ganz allein will ich sein. Ich bin bestimmt schon eine halbe Stunde unterwegs, als ich mich erschöpft auf den unendlichen Strand plumpsen lasse. Ich seufze und sehe die Sterne am Himmel verschwinden. Deine dicke gelbe Freundin lässt sich nämlich langsam blicken und räkelt sich am Horizont ächzend aus dem Schlaf. Ich entledige mich meiner Kleider und meine, die ersten Enden der warmen Fäden in den Händen zu halten, die uns die Sonne schickt. An ihnen ziehe ich mich in die kühl schäumenden Wellen.

    Ein Schrei, laut, halb vor Freude, halb vor Entsetzen, da ich mir das Abenteuer angenehmer temperiert vorgestellt habe, und schon tauche ich unkoordiniert auf und ab und markiere den toten Mann, solange es mein zitternder Körper mitmacht. Ich lache schlotternd vor mich hin und frage mich, was ich gerade fühle. Und das Erste, was mir in den Sinn kommt, ist das Treffendste: »lebendig«, so banal und kitschig das auch klingen
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