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Ein Sturer Hund

Titel: Ein Sturer Hund
Autoren: Heinrich Steinfest
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auf der Seite des charmantesten aller Polizisten, sondern damit auch auf der Seite eines charmanten Gesetzes zu stehen.
    Nichtsdestotrotz wurde er Sekunden später überwältigt. Wobei man höchst uncharmant mit ihm verfuhr, sein Gesicht gegen den Boden drückte und sowohl seinen rechten Arm als auch seinen linken Armstumpf am Rücken verrenkte, als wollte man eine Schleife binden. Eine Schleife, die nicht so richtig gelang. So wenig wie eine komplette Fixierung mittels Handschellen, von denen nur der eine Teil angelegt werden konnte, während der andere sinnentleert herunterbaumelte. Doch ohnehin wurde Cheng von mehreren kräftigen Männerhänden stabilisiert. Man hob ihn in die Höhe wie ein geschlachtetes Vieh.
    Moira Balcon stand daneben, von zwei vermummten Polizisten flankiert, die nichts anderes taten, als die Arme der Frau in einer geradezu sanften und fürsorglichen Weise zu umklammern. Was eher aussah, als wollte man ihr Personenschutz gewähren.
    »Wer hat hier eigentlich die Köpfe abgeschnitten?« beschwerte sich Cheng.
    Aber niemand gab ihm eine Antwort. Man stand um Cheng und Balcon herum und wartete. Die allgemeine Nervosität war ungebrochen. Draußen fuhren Feuerwehrwagen vor. Personen mit Schutzmasken liefen durch die Halle. Dann endlich öffnete sich der Lift, und Dr. Thiel trat heraus. Als er Cheng und Balcon sah, schlug er seine rechte Faust triumphierend in den linken Handballen. Einen Moment fürchtete Cheng, Dr. Thiel liege einem schrecklichen Irrtum auf und halte ihn, Cheng, gar für einen Mitarbeiter des Secret Service.
    Dr. Thiel jedoch wandte sich an einen der bewaffneten Polizisten und sagte: »Die Frau kriegt die Handschellen. Der Chinese gehört zu uns. Gewissermaßen.«
    »Chinese? Was soll das?« fragte Cheng verärgert, während man ihn losließ und die Handschelle löste.
    Dr. Thiel meinte: »Seien Sie doch nicht so zimperlich.« Und nach einer kleinen Pause: »Gut gemacht, Cheng.«
    »Ihr Lob rührt mich. Wie sieht es oben aus?«
    »Alles unter Kontrolle. Viel Lärm und Rauch und ein paar Leute, die über die eigenen Beine gestolpert sind und sich dabei verletzt haben. Dumm nur, daß wir noch niemand haben festnehmen können. Wir müssen alle überprüfen, die Fernsehleute, das Restaurantpersonal, die Techniker in der Station.«
    »Was ist mit Flemmings Nase? Ich meine natürlich die Sendung?«
    »Flemming und Rosenblüt ziehen weiter ihre Show ab. Das sind hartnäckige Naturen. Sie haben die Übertragung einfach ins Freie verlegt, stehen jetzt auf der Plattform, von einer Eliteeinheit umgeben, und machen weiter. Rosenblüt packt aus. Er scheint auf den Geschmack gekommen zu sein.«
    »Wird uns das retten? Sie und mich?«
    »Ich denke schon. Es wäre zuviel des Guten, wollte man uns jetzt noch aus dem Weg räumen. Schlechte Bedingungen, um zu morden. Da nun Rosenblüt das Gewissen der Nation markiert. Alles wird zu einer Frage der Diplomatie zerrinnen. Zu einer Frage der Schadensbegrenzung und der Bauernopfer. Ich denke, Cheng, wir sind wieder draußen aus der Geschichte. Soweit man das sagen kann.«
    Als sei Cheng eben eingefallen, daß er kein Polizist war, sondern Detektiv, und damit über einen Auftraggeber verfügte, fragte er, ob mit Mortensen alles in Ordnung sei.
    »Mortensen steht auf der Plattform. Er hat sich brav an die Anweisung gehalten, immer in Rosenblüts Nähe zu bleiben. Um unseren Schriftsteller brauchen wir uns keine Sorgen zu machen. Es ist Moira Balcon, auf die man aufpassen muß. Sie muß rasch von hier fortgebracht werden. Begleiten Sie uns, Cheng?«
    Der Detektiv nickte. Von schwerbewaffneten Beamten umringt und abgedeckt, liefen sie ins Freie. Ein Polizeiwagen war vorgefahren, die Tür des Busses wurde aufgerissen. Um in sein Inneres zu gelangen, waren es nur wenige Schritte. Die Polizisten streckten ihre Gewehrläufe in die Höhe und zur Seite. Es sah aus, als angelten sie in der Luft. Cheng hob den Kopf, blickte den Turm hinauf, welcher der Würde des Menschen gewidmet war. Auf halber Höhe bemerkte er mehrere Punkte, winzig. Ihm wäre nie die Idee gekommen, daß Spatzen überhaupt so hoch flogen. Wenn es denn wirklich Spatzen waren.
    »Gut so«, sagte Dr. Thiel, als sich Moira Balcon auf die mittlere Bank des Kleinbusses gesetzt hatte. Zum Fenster hin wurde sie von einem Beamten der Eingreiftruppe abgeschirmt. Zwei weitere befanden sich dahinter. Rechts von Moira Balcon hatte Cheng auf einem heruntergeklappten Sitz Platz genommen. Sie blickte ihn
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