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Ein schmutziges Spiel

Ein schmutziges Spiel

Titel: Ein schmutziges Spiel
Autoren: Karen Keskinen
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beiden Männer ergriff einen meiner Arme, und so zwischen sich zerrten sie mich auf eine Lichtung, die von einer kreisrunden Mauer umgeben war. Ich verlor immer wieder das Bewusstsein und kämpfte mühselig darum, meine Umgebung wahrzunehmen.
    Ich erkannte, dass in gleichmäßigen Abständen Öffnungen in der Mauer waren. Jeder der Mauerabschnitte war mit einem Löwenkopf geschmückt, aus dessen Maul ein Rohr ragte. Unter anderen Umständen hätte ich vielleicht gedacht, wie zauberhaft dieser Ort doch war, wie eine Art griechische Kultstätte. Aber als die Männer mich zu einem zwölf mal zwölf Zentimeter starken Pfosten in der Mitte schleiften, fürchtete ich allmählich, ich könnte ein zentraler Teil des Opferkults werden.
    Hurley drückte mich an den Pfosten, während Ken eine Plastikwäscheleine hervorzog und mich Runde um Runde an den Pfosten schnürte. Zweimal durchtrennte er die Leine, aber er hörte nicht auf, mich einzuwickeln, bis ich aussah wie eine Mumie. Die Verschnürung war im Brustbereich so stramm, dass ich kaum Luft bekam.
    »Der wird Spaß mit ihr haben«, kommentierte Hurley lüstern. »Was meinst du, ob er uns zusehen lässt?«
    »Ich hab gesagt, halt’s Maul, oder etwa nicht?« Grollend drehte sich Ken zu ihm um. »Du wirst das alles hier vergessen, oder du wirst teuer dafür bezahlen.«
    »Hey, ich mein ja nur.« Hurley verstummte, aber das schmutzige Grinsen prangte weiter in seiner Visage.
    »Lass die Fresslade zu, und hol den Benzinkanister aus dem Kofferraum. Er will, dass wir ihn da drüben an der Wand deponieren, da, wo er im Schatten steht.«
    Benzinkanister. Lieber Gott. Damit hatte ich nicht gerechnet. Ein Anflug von Panik streifte mich.
    Utman wartete, bis Hurley seinen Befehl ausgeführt hatte. Derweil starrte er mich feixend an. »Das war’s dann wohl, was?«
    Ich wollte nicht, dass Utman meine Angst sah, also konzentrierte ich mich auf den großen, scheußlichen Leberfleck, der auf Utmans Kinn wucherte.
    »Keine Sorge, Zarlin.« Ken zog einen Mundwinkel hoch und offenbarte einen gelben Eckzahn. »Ich richte dem Deputy aus, dass du Lebewohl gesagt hast.«
    Ich hörte Türen knallen. Der Motor heulte auf, und der Kombi rumpelte wieder den Hügel hinab.
    Allmählich kehrten die zarten Geräusche der Natur zurück auf die Lichtung: Vogelgeschnatter, Eidechsen, die durch das trockene Gras flitzten. Und da war noch ein natürliches Geräusch: das Rauschen eines heißen Sommerwinds.
    Zundertrockenes Gras. Benzin. Heißer Wind, der in ungefähr einer Stunde in den Santa Ana übergehen und die Schluchten hinab- und durch die Stadt auf das Meer hinauswehen würde.
    Feuer. Ich war nicht mehr die Einzige, die in Gefahr war.
    Aber in diesem Moment war die Gefahr, in der ich schwebte, die, über die ich mir den Kopf zerbrach. Utman hatte gesagt, Frayne käme in dreißig Minuten. Das war nun zehn Minuten her.
    Ich kämpfte mit der Wäscheleine, aber Utman hatte offenbar ein Talent für Fesselspiele. Und ich würgte die Panik herunter, die sich in meiner Kehle sammelte. Panik würde mir nicht helfen, während die kostbaren Minuten verrannen.
    Ich zwang mich, ruhig zu atmen, gleichmäßig und tief. Einatmen, ausatmen, einatmen … ein Buschhäher, blau wie ein Stück Himmel, hüpfte von einer Eiche und fing an, im Humusboden zu meinen Füßen zu scharren.
    Es musste doch einen Ausweg geben, es musste! Wieder befiel mich Panik. Ich gab einen Laut von mir, ein gurgelndes, ersticktes Geräusch aus der Tiefe meiner Kehle. Der Buschhäher hielt inne, legte den Kopf schief und musterte mich. Tränen stiegen mir in die Augen.
    Dann hörte ich etwas. Ich hielt den Atem an und lauschte angestrengt. Da war es wieder. Stimmengemurmel. Nicht auf der Straße, sondern im Unterholz zu meiner Linken.
    Eine Minute später traten zwei silberhaarige Frauen mit roten Gesichtern durch die Umfriedung. Sie hatten sich beieinander untergehakt und atmeten schwer. Ich gab einen erstickten Schrei von mir.
    Caroline blieb stehen und lehnte sich an die Mauer. Janet hob die Hand zum Gruß, ehe sie sich vorbeugte. Eine Weile rührte sich keine der beiden.
    Als sie sich mir dann näherten, erkannte ich ihre Mimik. Da war Furcht, ja, aber auch eine Art von Triumph, und ich wusste, was ich hier vor mir hatte, war eine wahre Rebellion. Ich konnte nur hoffen, ihre Herzen und Lungen würden ihnen gestatten, die Revolte zu überleben.
    »Versuchen – Sie – ganz – still – zu – halten – meine – Liebe«, keuchte
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