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Ein schmutziges Spiel

Ein schmutziges Spiel

Titel: Ein schmutziges Spiel
Autoren: Karen Keskinen
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mürrischen Missfallens.
    Ich lief weiter und achtete kaum mehr auf den Schmerz. Ein Haus ohne Tor, betete ich im Stillen. Ein einziger vertrauensvoller Haushalt, nur einer.
    Und dann stand es vor mir: ein hübsches Haus mit einer kiesbedeckten Einfahrt, einer purpur blühenden Bougainvilleahecke und keinem Tor. Ich rannte zum Eingang und hämmerte an die Tür. Inzwischen war ein großer gestromter Hund mit gelben Augen um die Ecke gekommen und hüpfte auf mich zu. Ich hatte keine Zeit für Nettigkeiten, also ignorierte ich ihn. Er berührte kurz meine nackte Wade mit seiner kalten, feuchten Nase und wandte sich wieder ab.
    »Ja?« Die Tür wurde halb geöffnet, und eine hagere blonde Frau, die ungefähr in meinem Alter war, lugte zu mir heraus. Sie hatte sich hübsch herausgeputzt, als wollte sie an diesem Nachmittag für das American Riviera Magazine modeln.
    »Oben auf dem Berg brennt es.« Ich zeigte auf die Rauchwolke. »Bitte, rufen Sie 911 an.«
    Sie maß mich mit einem zweifelnden Blick, der bald zu meinem Haar wanderte. Ich legte eine Hand an den Kopf und ertastete einen belaubten Zweig. »Hören Sie, das ist eine lange Geschichte, und ich habe keine Zeit. Bitte, wählen Sie einfach den Notruf. Und das ist besonders wichtig: Zwei alte Damen sitzen in der Stonecroft-Villa direkt unter dem Brandgebiet fest.« Noch immer stand ihr der Zweifel ins Gesicht geschrieben.
    Impulsiv ergriff ich den Arm der Frau. Meine Hand hinterließ einen Schmutzfleck auf ihrer hellblauen Leinenbluse. Sie betrachtete ihn und verzog das Gesicht.
    »Wenn Sie einen Schritt herauskommen, können Sie es selbst sehen! Versprechen Sie mir, dass Sie anrufen?«
    »Ja, schon gut. Ich rufe an.«
    »Und danach, darf ich da Ihr Telefon benutzen, um mich abholen zu lassen?«
    Ihre Miene veränderte sich. »Lieber nicht. Ich kenne Sie ja gar nicht. Vielleicht sollten Sie …«
    »Okay, okay.« Ich wich zurück. »Vergessen Sie es. Rufen Sie nur 911 an, und vergessen Sie nicht, die Frauen in Stonecroft zu erwähnen. Bitte .«
    Würde ich noch länger hierbleiben, würde ich die Sache allenfalls schlimmer machen, also wandte ich mich zum Ge hen.
    In diesem Moment sah ich durch die Bougainvilleabüsche den schwarzen Maserati vorbeirasen. Er wurde nicht langsamer.
    Keine zehn Minuten später donnerte die Feuerwehr von Montecito an mir vorbei und den Berg hinauf. Es dauerte nicht lange, bis auch Feuerwehrwagen aus Santa Barbara und Goleta eintrafen. Als ich mich der Lower Riviera näherte, begleitete mich schon ein ganzer Strom von Fahrzeugen. Zwei Frauen trabten auf Pferden an mir vorbei. Niemand hatte die zurückliegenden großen Feuer vergessen: Tea Garden, Jesusita, Goleta Gap. Und hier erlebte ich die Anfänge eines weiteren Exodus.
    Als ich die Straßen der Stadt erreicht hatte, humpelte ich langsamer weiter. Der Schmerz war nun dauerhaft spürbar und zu stark, ihn aus meinem Geist zu verdrängen. Es herrschte nur wenig Verkehr, aber ich brauchte eine Mitfahrgelegenheit. Mehrere Male streckte ich den Daumen aus, aber niemand würdigte mich auch nur eines zweiten Blickes.
    Ich musste Mike anrufen und ihn über Frayne aufklären. Schließlich hielt ich ein Kind an, das auf einem Skateboard vorbeikam, und fragte, ob ich sein Handy benutzen durfte. »Klar, aber das Netz ist überlastet.« Ich versuchte es einige Mal bei Mike und dann bei Gabi, ehe ich aufgab und weiterhumpelte.
    Allmählich zog die Dämmerung über der Stadt herauf, und der Wind hatte gedreht und zugenommen. Ich gestattete mir einen Blick zurück zum Berg. Der Rauch stieg in mächtigen Säulen zum Himmel empor, und in der zunehmenden Dunkelheit konnte man zornige orangerote Linien sehen, die sich über die Hänge zogen. Der Teufel trieb wieder sein höllisches Spiel.
    Denk nach, herrschte ich mich in Gedanken an. Denk wie ein kaltblütiger, berechnender Mörder. Verdammt noch mal, wo würdest du hingehen?
    Wäre ich Frayne, würde ich so weit weg wollen wie möglich, und so schnell wie möglich … aber nein, vielleicht doch nicht so weit. Ich müsste nur über die Grenze. Mexiko wäre genau das richtige Land für mich: ein Land, in dem nur Bares zählte und keine Fragen gestellt wurden. Bezahlen Sie die Mordida, Señor, dann können Sie machen, was immer Sie wollen.
    Mexiko, und später vielleicht weiter nach Süden. War Frayne erst in Mexiko, käme er ungestraft davon und könnte weiter vergewaltigen und morden. Und die schnellste und sicherste Möglichkeit, nach Mexiko zu
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