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Ein nasses Grab

Ein nasses Grab

Titel: Ein nasses Grab
Autoren: Reginald Hill
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keineswegs kometenhaft gewesen, aber dennoch unaufhaltsam. Wenn das Flusspferd zum Luftholen auftaucht, behindern die weniger gewichtigen Organismen an der Oberfläche diesen Prozess auf eigene Gefahr. Einer dieser weniger gewichtigen Organismen war seine Frau gewesen.
    Headingley konnte den Mann eigentlich nicht leiden, hatte sich aber in seinem eigenen Interesse einen Schutzschild aus Langmut und Zurückhaltung geschmiedet, der als Beziehung durchgehen konnte. Üblicherweise richtete er es so ein, dass er zwar in Dalziels Dunstkreis, jedoch ständig in Bewegung war. Dass er sich jetzt hier hatte festnageln lassen, war ein auf den Genuss von Champagner und Gefühlsduselei nach einer Hochzeit zurückzuführendes Missgeschick. Und auch, so vermutete er, auf Dalziels Unlust, allein zu bleiben.
    »Glauben Sie, dass das gut geht?«, fragte er plötzlich.
    »Was?«, fragte Dalziel.
    »Das mit Pascoe und seiner Angetrauten.«
    Der Dicke verschob seine Masse, der die mehrmonatige, episodische Fastenkur nicht augenfällig etwas hatte anhaben können, und heftete seinen kurzsichtigen Blick auf Headingley.
    »Warum sollte es nicht?«, fragte er aggressiv.
    Das weckt seinen Beschützerinstinkt, dachte Headingley. Obacht! Dass wir da bloß nichts Falsches über sein kostbares Wunderkind sagen.
    Absurderweise merkte er, dass er eifersüchtig war.
    Er leerte sein Glas und stemmte sich aus seinem Sessel.
    »Nur so«, sagte er. »Ich muss jetzt wirklich, Sir. Ruhig oder nicht, ein paar von uns sind heute Abend wieder im Dienst.«
    »Das ist mein erster Urlaub seit weiß der Himmel wie lang«, sagte Dalziel. »Heute in vierzehn Tagen bin ich wieder zurück.«
    In seiner Stimme lag ein klagender Unterton, der Headingley mehr beunruhigte als Aggression.
    »Wissen Sie schon, was Sie tun werden?«, fragte er vorsichtig.
    »Nein.« Das graue Haupt schüttelte sich schwerfällig. »Ich werde ein bisschen rumfahren. Mir die Landschaft anschauen, wenn ich bei dem verfluchten Regen überhaupt was sehe.«
    »Aha.«
    Headingleys Stimme klang betont neutral, aber Dalziel bedachte ihn mit einem boshaften Blick.
    »Aber wenn es mir zu langweilig wird, könnte es natürlich sein, dass ich früher zurückkomme und euch alle mit einer Zuckerstange überrasche, wo ihr sie am wenigsten erwartet.«
    »Das wäre nett«, sagte Headingley. »Amüsieren Sie sich gut, Sir. Wir sehen uns in zwei Wochen.«
    Als Headingley gegangen war, schraubte Dalziel langsam den Verschluss wieder auf die Flasche. Dann erhob er sich, nicht unsicher, doch mit einer Langsamkeit, die bei einem anderen durchaus in Unsicherheit hätte ausarten können. In weiser Voraussicht hatte er sich hier in Orburn ein Zimmer genommen. Im »Lady Hamilton«, dem ersten Haus am Platz, das nur ein paar hundert Meter vom »Three Bells« entfernt lag. Ein kurzer, flotter Fußmarsch war genau, was er jetzt brauchte. Der würde ihm das Wattegefühl aus dem Schädel pusten oder, bei diesem Wetter, spülen und ihn trefflich auf ein herzhaftes Abendessen vorbereiten. Diese Büfetts waren gut und schön, boten aber nichts, in das ein Mann sich so richtig verbeißen konnte, insbesondere einer, der sich entschlossen hatte, während seines Urlaubs das Fasten Fasten sein zu lassen.
    Im Hotel erlebte er jedoch eine herbe Enttäuschung.
    »Das Restaurant macht erst in einer Stunde auf«, eröffnete ihm der geschniegelte Direktionsassistent, der Dalziel in seiner Verbitterung vorkam, als sei er mit Möbelpolitur gesalbt. »Schließlich ist es noch nicht einmal halb sechs.«
    »Tatsächlich?«, sagte Dalziel. Er trat nahe an den Mann heran und entblößte seine Zähne in einem humorlosen Lächeln. »Wenn das so ist, dann habe ich ja genügend Zeit, mich in Ihrer Küche umzusehen, nicht wahr?«
     
    Trotz dieser wenig erfolgversprechenden Ouvertüre erwies sich das Essen als beinahe so gut wie in der Hotelwerbung verheißen. Und hinterher kam es, um dem Abend die restliche Würze zu geben, in der Bar noch zu einer Szene.
    Eine hochgewachsene Blondine, die Dalziels Aufmerksamkeit erregt hatte, weil sie, ohne die winzigste Andeutung eines Busens, ein tief ausgeschnittenes Kleid trug, versetzte einem ihrer beiden männlichen Begleiter eins auf die Nase. Es war nicht bloß ein kleiner femininer Klaps oder Ausläufer eines etwas derben Herumgealberes, sondern ein ausgewachsener Faustschlag, der seinen Anfang hinter dem rechten Ohr der jungen Frau nahm und mit einem dumpfen Schmatzen auf der Nasenspitze des Mannes
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