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Begegnungen (Das Kleeblatt)

Begegnungen (Das Kleeblatt)

Titel: Begegnungen (Das Kleeblatt)
Autoren: Hansi Hartwig
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I . Teil
     
    1. Kapitel
     
    In Gedanken versunken stand sie am Fenster und starrte hinaus auf die Straße. Deprimierendes Grau hatte die Menschen zeitig in ihre Häuser getrieben. Hin und wieder fuhr ein Auto im Schritttempo vorbei, doch die schalldichten Fenster dämpften die Motorengeräusche, sodass kaum ein Laut zu ihr drang.
    Umso heftiger schreckte sie bei dem plötzlichen Lärm vor ihrer Wohnung auf. Die abrupte Bewegung, mit der sie zur Tür herumfuhr, wehte das Geschirrtuch vom Küchentisch. Ihre Finger krampften sich um den nassen Teller, den sie mit fahrigen Händen in das Wandregal stellte. Noch während sie sich nach dem Tuch bückte, streifte ihr Blick das kleine Radio auf dem Fensterbrett. Selbstverständlich wieder zu laut gedreht! Dabei konnte sie den Nachrichtensprecher kaum verstehen. Aber ihr Mann hasste Musik, also stellte sie das Gerät ab.
    Mit angehaltenem Atem horchte sie auf das vertraute Geräusch im Flur. Jemand versuchte den Schlüssel in das Schloss der Wohnungstür zu stecken und fluchte dabei gotteslästerlich.
    Es war ein vornehmes Haus, in dem sie wohnten, ausgesprochen luxuriös sogar, fernab vom Großstadtverkehr und jeglichem Kinderlachen. Und es lebten sorgfältig ausgewählte Mieter hier. Das Pärchen allerdings, das vor kurzem eingezogen war, unterschied sich von der Nachbarschaft wie der Tag von der Nacht. Die scheelen Blicke der Damen und Herren verrieten unverhohlene Abneigung und Misstrauen. Obwohl sie ihre Gedanken nicht laut aussprachen, hatte Susanne Reichelt längst begriffen, was in ihren Köpfen vorging.
    An zwei verschiedene Nachnamen a uf dem Türschild hatten sich bisher ohnehin die wenigsten von ihnen gewöhnt. Was der junge Mann den erlauchten Herrschaften dagegen zumutete, war unerhört. Einfach skandalös. Höchste Zeit, dem Hauseigentümer einen deutlichen Hinweis zukommen zu lassen.
    Susanne fuhr sich über die Stirn , während sie mit dem Verlangen kämpfte, ihrem Mann zu Hilfe zu eilen und ihm die Tür zu öffnen. Zweifellos würde sie damit das Schauspiel für ihre Nachbarn verkürzen, die in eben diesem Moment die Augen an die Spione ihrer Türen quetschten oder nicht einmal davor zurückschreckten, sich für ihre Gafferei ganz ungeniert auf den Flur zu stellen.
    Wie mochten sie sich den li eben langen Tag ennuyieren, da sie mit ungebrochenem Interesse die Heimkehr des schwarzen Schafes in ihrem ehrenwerten Haus verfolgten. Nicht einer der viel zu neugierigen Nachbarn würde das lautstarke Schimpfen und undeutliche Gestammel des Mannes überhören. Spätestens morgen Nachmittag, wenn sie von der Arbeit nach Hause kam, würde einer nach dem anderen – natürlich rein zufällig – seinen Kopf aus der Wohnungstür stecken und sie auf das allabendliche Spektakel ansprechen. Sie verwünschte schon jetzt die mitleidvollen Blicke und tröstenden Worte, die sie einmal mehr sintflutartig überschwemmen würden und ihr doch nicht im Geringsten weiterhalfen.
    Endlich wurde die Tür aufgestoßen. Mit einem ohrenbetäubenden Knall donnerte sie an die Wand. Susanne zuckte zusammen und hoffte, der Türstopper würde der Wucht des Aufpralls auch dieses Mal standhalten.
    Seit ihrem Einzug waren bereits zwei Spiegel zu Bruch gegangen.
    Ein Paar Schuhe flog in hohem Bogen durch den Flur, gleich darauf krachte jemand gegen den Garderobenschrank. Erneut fluchte der Mann, dann kicherte er albern und brummelte etwas Unverständliches vor sich hin.
    Susanne strich sich eine Strähne des langen, blonden Haares aus dem Gesicht und bemerkte, dass ihre Hand zitterte. Mit einem ärgerlichen Knurren vergrub sie die Finger in dem feuchten Geschirrtuch. Weshalb nahm sie sich seine Eskapaden nur derart zu Herzen? Wie oft hatte sie sich vorgenommen, sein unmögliches Benehmen einfach zu ignorieren? Aber sie brachte es nicht über sich, weder von ihrem Mann Notiz zu nehmen noch von der unumstößlichen Tatsache, dass er sich gesundheitlich ruinierte.
    Noch immer wagte sie nicht , sich vom Fleck zu rühren. Sie biss die Zähne aufeinander und schloss die Augen. Dann atmete sie ein weiteres Mal tief durch und rang sich zu einem unbekümmerten Ton durch, als sie schließlich ihren Kopf aus der Küche schob und den Mann lächelnd begrüßte. „Hallo, Adrian. Du bist heute spät dran. War wieder viel los?“
    „ Mmmh.“
    „ Hast du schon gegessen? Es ist noch etwas Braten übrig. Und Salat.“ Sie lehnte unschlüssig am Türrahmen und knüllte nervös das Geschirrtuch zwischen ihren
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