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Begegnungen (Das Kleeblatt)

Begegnungen (Das Kleeblatt)

Titel: Begegnungen (Das Kleeblatt)
Autoren: Hansi Hartwig
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knallhartes Ultimatum gestellt hatte: entweder Familie oder Seefahrt.
    Und jetzt, gerade mal ein halbes Jahr später, hockte s ie selber dort, wo sie nie länger als einen Hafentörn hatte sein wollen – an Land festgenagelt wie ein Schmetterling im Schaukasten!
    Seifenblasen zerplatzten beim kleinsten Windhauch. Oder wie hatte John Lennon dereinst so schön gesagt? „Leben ist das, was passiert, während du gerade andere Pläne machst.“
    Es fiel ihr immer schwerer, Adrian keinen Vorwurf daraus zu machen , und sie fürchtete den Tag, an dem sie abstreiten würde, dass es ihr eigener freier Wille gewesen war, gemeinsam mit ihm abzusteigen. Als sie ihm damals von diesem spontanen Entschluss erzählte, war er zunächst ehrlich überrascht gewesen. Doch dann hatte er sie in seinem Leben willkommen geheißen, hatte seine Träume und eine Wohnung mit ihr teilen wollen und sich – wenngleich bloß im Stillen – eine Familie gewünscht.
    Inzwischen war von diesen guten Vorsätzen nicht mehr viel geblieben.
    Angestrengt blinzelte sie die Tränen weg, die sich aus ihren Augen stehlen wollten. Sie war wütend und traurig und enttäuscht zugleich. Von Kindesbeinen an hatte sie nichts anderes gewollt , als zur See zu fahren. Die Verwirklichung dieses Traumes hatte sie eine Menge Schweiß, Stehvermögen und Überzeugungsarbeit gekostet, denn immer wieder hatte sie sich und ihr Vorhaben vor ihren Eltern, den Lehrern und Gott und der Welt verteidigen müssen. Einzig ihre Freundinnen hatten wie ein Fels in der Brandung hinter ihr gestanden und an sie geglaubt.
    Grundgütiger , was war überhaupt noch von ihren hochfliegenden Plänen und hehren Zielen für ihr Leben geblieben? Sie hatte kaum einen Fuß auf den Massengutfrachter „Fritz Stoltz“ gesetzt, als sie Adrian Ossmann über den Weg gelaufen war. Ihr Kennenlernen derart nüchtern zu schildern, spottete selbstverständlich jeder Beschreibung, war sie doch dem Schiffskoch regelrecht in die Arme geflogen, weil sie dusslig und schusslig über ihre eigenen Füße stolperte und sich ausgerechnet von ihm retten lassen wollte. Oh ja, sie liebte diese theatralischen Auftritte! Dazu passte, wie sie sich Hals über Kopf in den aufmerksamen und hilfsbereiten Mann verknallt hatte. Es war kein Wunder, dass er ihr Herz im Sturm erobern konnte. Adrian vereinigte all die Charakterzüge in sich, die ihr selber fremd waren und sie deswegen umso mehr an ihm bewunderte: Ruhe und überlegtes Handeln, Ordnungsliebe und Geradlinigkeit. Treue. Pünktlichkeit.
    Mittlerweile war ihr klar, dass sie den Tribut an den Reiz des damals Neuen heute mit ihren Tränen zu zahlen hatte.
    Sie verstand sich selber kaum, aber auch nachdem sie Adrians Schattenseiten kennengelernt hatte, brachte sie es nicht über sich, ihn zu verlassen. Sie wollte diesen Mann nicht aufgeben, was nicht allein daran lag, dass es nicht ihre Art war zu kapitulieren, wenn unerwartete Schwierigkeiten vor ihr auftauchten.
    Letztlich war sie Adrian zuliebe von Bord gegangen, hatte ihr Seefahrtsbuch abgegeben und sich von ihrem Kindheitstraum verabschiedet. Sie wollte in seiner Nähe sein. Er brauchte Hilfe, hatte ihr sein Arzt erklärt. Und damit hatte er in erster Linie moralische Unterstützung, Verständnis und Vertrauen gemeint.
    Sie ließ sich auf einer Bank in der Nähe des Duty-free-Shops nieder und schloss die Augen. Eine Weile blieb sie ganz still und zwang sich zu ruhiger Tiefenatmung , dennoch wollte es ihr nicht gelingen, das sanfte Streicheln der warmen Frühlingssonne zu genießen.
    Was sollte sie ihren Kollegen als Nächstes erzählen, wenn sie nach dem Grund für ihr mürrisches Gesicht, ihre Nervosität und Zer streutheit fragten? Sie hatte behauptet, das völlig unerwartete Untersuchungsergebnis ihres Gynäkologen hätte Schuld an ihren momentanen Launen, und gehofft, zumindest ein paar der Männer würden ihr diese Ausrede abnehmen. Immerhin trug sie seit fast einer Woche die Bestätigung ihrer Schwangerschaft schwarz auf weiß in der Tasche.
    Fakt war allerdings genauso, dass die Kollegen in der Nachrichtenzentrale sie nicht erst seit dem zurückliegenden halben Jahr kannten. Bereits nach dem Untergang der „Fritz Stoltz“ hatte sie mit den siebzehn Männern, die sich auf vier wechselnde Schichten verteilten, gearbeitet. Damals hatte sie ihr Praktikum unter den Fittichen der abgemusterten Funker absolviert und schon während dieser Zeit war das zierliche Persönchen mit dem kessen Mundwerk den Männern ans Herz
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