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Begegnungen (Das Kleeblatt)

Begegnungen (Das Kleeblatt)

Titel: Begegnungen (Das Kleeblatt)
Autoren: Hansi Hartwig
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verstand und von denen sie annahm, sie kämen aus dem Irischen. Wie üblich hatte Adrian sie angestarrt, als würde er nicht bloß an ihrem Gehör, sondern mehr noch an ihrem Verstand zweifeln. Dann hatte er verächtlich abgewunken und sie wortlos stehen lassen. Wieder einmal.
    Mittlerweile tat sie so, als würde sie von all dem nichts bemerken. Doch sie wusste, dass er sich jede Nacht mit einer Flasche in der Hand ins Wohnzimmer setzte und dumpf vor sich hin brütete, bis ihn sein Alkoholspiegel wieder ins Bett trieb oder er gleich auf dem Sofa umfiel. Sie vermutete, dass er ihr mit diesem Verhalten absichtlich aus dem Weg ging. Er wollte ihr keine Möglichkeit für ein Gespräch geben, mit dem sie die Distanz zwischen ihnen überbrücken konnten.
    In der vergangenen Nacht indes war sie es gewesen, die keinen Schlaf gefunden hatte, weil die Sorge um Adrian und ihre Zukunft sie nicht zur Ruhe kommen ließ. Sie wusste nicht mehr, was sie noch tun sollte. Wie konnte sie einen Weg durch die dicken Schutzmauern seines Herzens finden? Inzwischen war es für sie beinahe unerträglich, sich weiterhin zur Närrin zu machen und vergeblich an seinen Turm der Unnahbarkeit zu klopfen.
    Er würde sich ihr nie öffnen.
    Wieso nur hatte sie sich bei ihrer zweiten Begegnung abermals in diesen Mann verliebt, der ihre Gefühle nicht erwidern konnte? Was hatte sich das Schicksal dabei gedacht, sie ausgerechnet in den Armen eines Adrian Ossmann landen zu lassen? Er war ihr Traummann, daran gab es nichts zu deuteln. Inzwischen brauchte sie ihn wie die Luft zum Atmen. Manchmal hätte sie ihn am liebsten dafür erwürgt, dass er ihnen beiden das Leben unnötig schwer machte. Ständig trampelte er auf ihren Gefühlen herum, ließ sie emotional gestrandet zurück, wie er es an Bord der sinkenden „Fritz Stoltz“ getan hatte. Er gab nichts Persönliches von sich preis, schwieg beharrlich über seine Vergangenheit, seine Herkunft. Stattdessen erging er sich in Belanglosigkeiten oder, was er bis zur Perfektion beherrschte, brachte sie mit einem einzigen Blick von weiteren Fragen ab.
    Sie hatte nicht die geringste Ahnung, wie er reagieren würde, wenn sie ihm die frohe Botschaft verkündete. Würde er dann einfach seine Sachen packen, sich mit einem freundlichen „Bis dann“ von ihr verabschieden oder …
    Oder was?
    Bislang hatte sie nicht allzu viel Wert darauf gelegt, aber mit der Verantwortung für ein Kind brauchte sie Sicherheit. Alles konnte sie ertragen, wenn es eine solide, verlässliche Grundlage gab. Aber sie hatte keine Vorstellung davon, wie viel er in eine Beziehung investieren wollte.
    Es war lächerlich, wenn man bedachte, dass sie mit diesem Mann lebte, mit ihm schlief und es nicht über sich brachte, ihn nach seinen Absichten zu fragen. Sie gestand sich ein, dass sie sich vor der Antwort fürchtete. Adrian war kein Mann, der Ausflüchte machte. Er würde ihr offen die Wahrheit ins Gesicht sagen, doch die zu hören, war sie noch nicht in der Lage. Später. Wenn sie mit sich selber im Reinen war, dann würde sie ertragen können, was immer er ihr mitteilte, selbst wenn es nicht das war, was sie gern hören wollte.
    Sie hatte sich in ihn verliebt, allerdings machte sie sich nichts vor in Bezug auf seine Persönlichkeit. Trotz ihrer körperlichen Intimität hielt er einen großen Teil von sich zurück, verborgen hinter einer unsichtbaren Mauer. Manchmal beobachtete er sie schweigend mit einer so bohrenden Nachdenklichkeit, dass ihr Angst und Bange wurde.
    Entgegen ihrer Gewohnheit flüchtete sie während der Mittagspause vor der Gesellschaft der Arbeitskollegen und unternahm allein einen ausgedehnten Spaziergang über das Hafengelände. Sie hoffte, das hektische Treiben und die laute Geschäftigkeit des Umschlagbetriebes würden sie zumindest für eine Weile von ihren düsteren Gedanken ablenken. Während sie einen Hochseefrachter beim Auslaufen beobachtete, erinnerte sie sich an ihren ersten Arbeitstag auf dem kleinen Kühlschiff „Heinrich“. Der Flottenbereichsleiter Harry Pohl hatte sich damals fast krankgelacht, als sie mit hoch erhobener Nase in sein Büro stolziert kam und ihm ihren Heuerschein präsentierte. Eine Frau! Ein halbes Kind noch, das als Funkoffizier eine Schiffsfunkstelle alleinverantwortlich leiten wollte!
    Aber sie hatte frech zurückgelacht und den vom Neid zerfressenen Mann bedauert, da er einst selbst zur See gefahren war, bis ihm sein Ehegespons eiskalt das Messer auf die Brust gesetzt und ein
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