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Ein Mann fürs Grobe

Ein Mann fürs Grobe

Titel: Ein Mann fürs Grobe
Autoren: Horst Bosetzky
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sich nicht erinnern können. Was ja noch nicht heißen muß, daß sie nicht doch mit der S-Bahn rausgefahren ist...»
    «‹Wie ein Tier›, hören Sie auf damit!» Bianca Broch hatte den Roman über den legendären Berliner S-Bahn-Mörder Paul Ogorzow erst kürzlich gelesen.
    «Fest steht nur, daß sie weder im Hotel noch bei Ihnen hier erschienen ist...»
    «Mysteriös, ja...»
    «Auch an den Taxiständen am Bahnhof Friedrichstraße, in Grünau, in Eichwalde und in Königs Wusterhausen hab ich mich umgehört. Nichts!»
    Bianca Broch stieß die Luft aus den Lungen. «Was meine Oma immer erzählt, das kann es doch auch nicht sein, was die Sowjets gleich nach ’45 immer gemacht haben: Die deutschen Spezialisten bei Nacht und Nebel verschwinden lassen und hinter den Ural verfrachtet, um da die Industrien aufzubauen.. .»
    «Das klingt ’n bißchen nach CDU-Propaganda aus den Tagen des Kalten Krieges.»
    «Aber immerhin sind vier Topmanager spurlos verschwunden, und in den GUS-Staaten brauchen sie dringend solche Leute, wenn sie überleben wollen.»
    «Erzählen Sie das morgen in ’ner Talk-Show, und Sie füllen garantiert das Sommerloch – mit und ohne Urin im Glas.»
    Bianca Broch zupfte an ihrem Ascot-Kleid, um den Seidenstoff vom Körper zu ziehen und die Ventilation von unten herauf ein wenig zu fördern.
    Mannhardt fand, daß da nicht allein der Stoff ein wenig knisterte, und mußte sich zwingen, an anderes zu denken. «Sie kennen sie doch ziemlich genau: Gab es denn Motive für einen Selbstmord oder ein Motiv für andere, sie aus der Welt zu schaffen?»
    Bianca Broch schüttelte den Kopf. «Mein Mann und ich, wir haben nächtelang darüber nachgedacht: nein, nichts. Sie war eine Frohnatur, überall beliebt und als Frau in einem ausgesprochenen Männerberuf genügend hart und durchsetzungsfähig. Und bei der ‹NordConsulting› hat sie eine Menge Geld verdient.»
    «Und was die Affekte betrifft: Liebe, Lust und Leidenschaft?»
    «Nichts. Sie lebt getrennt von einem Banker, der sich aber zur Zeit ihres Verschwindens nachweislich in einem Kurdenzelt befunden hat, in Geiselhaft, wegen einer wohl etwas zu wohlwollenden Haltung der türkischen Regierung gegenüber, sprich: der Finanzierung von Waffenkäufen.»
    Silvester fing an zu greinen, und Mannhardt nahm ihn auf den Arm. «Was soll ich weiter machen, es ist schon so, wie Heike auch geschrieben hat: Die geballte Kraft meiner Mordkommission kann ich erst zur Geltung bringen, wenn - Pardon! - die Leiche angefallen ist.»
    «Sagen Sie bloß, daß ich das hoffen soll...!?»
    «Ich will mal weitersehen...»

3
    Hartmut Tscharntke rückte langsam vor und hoffte auf eine Fuhre nach Rudow, Kladow oder Hellersdorf. Nichts war frustrierender, als in Tegel eine Ewigkeit zu warten und dann für gerade mal zwölf Mark großkotzige Männer einmal um die Ecke nach Siemensstadt zu bringen. Er hatte den Flugplan so etwa im Kopf. 15.25 kam die BA aus London, 15.30 die Lufthansa aus Hamburg und aus Renne und 15.35 aus Frankfurt und aus Zürich, 15.40 die Lufthansa aus Stuttgart und die Air France aus Paris, 15.45 die KLM aus Amsterdam und die Lufthansa gleich zweimal: aus Köln/Bonn und aus München. In der nächsten halben Stunde war endlich wieder etwas los, aber bis dahin... Er stieg noch einmal aus, um sich zu recken und für die Durchblutung der Beine zu sorgen. Noch immer hatte er das Gefühl, die Kollegen würden ihm böse Blicke zuwerfen und hinter ihm tuscheln, weil er es wagte, als Ossi hier zu stehen und ihnen die Kunden wegzunehmen. Es gab viel zu viele Taxen in der Region Berlin. Touristen kamen nicht mehr so viele, seit es die größte Attraktion, die Mauer, nicht mehr gab, und was die Geschäftsleute wie die normalen Berliner betraf, da wurde immer mehr geknausert und gespart. Auch die Reichstagsverhüllung hatte ihm nur wenig gebracht, denn bei den ewig verstopften Straßen waren die Leute lieber mit der S-Bahn gefahren.
    Tscharntke sah sich um. Von den Kollegen kannte er keinen. Mit den altgedienten Profis aus dem Westen kam er eh nicht klar. Wenn die mit ihren flotten Sprüchen loslegten, stand er immer nur da und wußte nichts zu sagen. Und deren Themen interessierten ihn wenig. Vor ihm standen drei, die sich nun schon seit zehn Minuten darüber unterhielten, in welcher Rathauskantine man wohl am preiswertesten zu Mittag essen konnte.
    «Auf alle Fälle in Charlottenburg.»
    «Neukölln! Riesenportionen.»
    «Quatsch, beim Innensenator – Fehrbelliner
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