Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Mann fürs Grobe

Ein Mann fürs Grobe

Titel: Ein Mann fürs Grobe
Autoren: Horst Bosetzky
Vom Netzwerk:
«Meister, kriege ich nun endlich meine Bacardi Cola...?»
    Der Herr der Gläser und Flaschen fuhr zornig herum, zu allem bereit, ließ aber sofort ein kumpelhaftes Grinsen erkennen, als er bemerkte, wer ihn da beworfen hatte. «Oh, Herr Catzoa, natürlich! Ich bitte tausendmal um Verzeihung.»
    Schrotzer wußte, daß er den Namen Catzoa in irgendeiner seiner Millionen Gehirnzellen abgespeichert hatte. Bei einem seiner Bewerbergespräche mußte ihm dieser Mensch schon einmal begegnet sein. Aber da hatte es viele gegeben. «Haben Sie nicht letztes Jahr das Assessment-Center bei Horländer & Keppler organisiert?»
    Das stimmte zwar nicht, aber immerhin gab Catzoa zu verstehen, daß er sich hin und wieder auch als Headhunter versuchte. «In den Chefetagen sind sie immer noch scharf auf die Jahrhundertgenies.»
    Schrotzer erzählte, daß er als Chefeinkäufer bei der MCI angefangen habe, sich aber Frau und Kind in Grenoble nicht so richtig heimisch fühlten.
    Catzoa sah ihn an. «Was sind Sie denn von Hause aus?»
    «Soziologe...» Schrotzer wurde fast ein wenig rot, als er dies bekannte, und er starrte dabei auf den Aschenbecher, der vor Catzoa stand.
    Und der andere lachte auch prompt. «Mein Vater fragte in solchen Fällen immer: Wie kommt Kuhkacke aufs Dach?»
    Schrotzer erzählte ihm, daß er im renommierten ‹Wissenschaftszentrum Berlin› jahrelang über das Thema Voice Powered Technology geforscht habe und sicherlich der profundeste Kenner dieser Materie in Deutschland sei, aber... «Sich immer nur von einem Forschungsprojekt zum anderen zu hangeln und dabei Frau und Kinder zu ernähren, das ist auch nicht das Wahre.»
    «Und als Professor... ?»
    «Oft hab ich auf der Dreierliste gestanden, aber immer Pech gehabt. Mal war mir eine Connection im Weg, mal die Frauenquote, mal die knappen Kassen, das heißt, die Stelle ist gestrichen worden. Und als wir letztes Jahr im Urlaub oben in Deauville gewesen sind, da hab ich auf dem Tennisplatz den alten Savournon kennengelernt. Als die einen vierten Mann fürs Doppel gesucht haben. Ihrer war durch starken Salmonellenbefall nicht mehr in der Lage dazu.»
    «Wie das Leben halt so spielt», sagte Catzoa und schien schon wieder jedes Interesse an Schrotzer verloren zu haben.
    «Kommen Sie noch ein bißchen mit in die Stadt?» fragte Schrotzer schnell und voller Hoffnung, der andere würde das bejahen.
    «Nein, bedauere...» Catzoa ließ sich vom Barhocker gleiten und eilte ohne eine Abschiedsfloskel einer Schauspielerin entgegen, die Schrotzer aus Hubys neuester Fernsehserie kannte.
    Schrotzer registrierte es als Kränkung. Mit seinen hundertfünfzigtausend Mark im Jahr hatte er gedacht, in diesem Leben endlich mehr als eine Quantité négligeable zu sein, und nun... Er warf einen Zwanzigmarkschein auf den Tresen und ging. Nicht zurück ins Hotelzimmer, dort, so hatte er das Gefühl, würde er an diesem Abend noch wahnsinnig werden. Er fuhr hinunter zur Rezeption, fragte den diensthabenden Jungmanager, wo denn noch etwas los sei in Berlin, und bekam eine Reihe Discos, Varietés und Restaurants mit Live-Musik genannt.
    «Danke sehr...» Er ließ seinen Zimmerschlüssel in eine Art Rohrpostöffnung plumpsen.
    «Einen schönen Abend noch, Herr Dr. Schrotzer, und eine ebensolche Nacht», wünschte ihm der junge Mann mit einem Lächeln, das wohl eine Anspielung auf vieles sein sollte.
    Schrotzer trat auf die Straße hinaus. Nach ein paar ungewissen Schritten stand er am Rande des Tiergartens. Berlins Central Park gähnte ihm wie ein Schwarzes Loch entgegen.

2
    Die Party war in vollem Gange, und Hans-Jürgen Mannhardt stand abseits am Wasser. Wenn der HERR es gut mit ihm meinte, ließ er jetzt eine Leiche vorbeitreiben. Sofort hätte er im Mittelpunkt gestanden. So aber kümmerte sich - wieder mal - kein Schwein um ihn. Was aber auch sein Gutes hatte. Alles war relativ, alles war ambivalent. Er wurde direkt zum Philosophen, wie er da über den Krossinsee hinweg nach Schmöckwitzwerder blickte, der dichtbewaldeten Landzunge zwischen vier Seen, dem Großen Zug, dem Seddin-, dem Zeuthener und eben Krossinsee, auf der sich dermaleinst der Michael Kohlhaas versteckt hatte. Als Mannhardt sich bewußt wurde, daß er sich hier in Wernsdorf befand, einer Ortschaft schon außerhalb Berlins, faßte er sich automatisch an die Brusttasche: der Passierschein ! Gott sei Dank, er war noch da, aber nur ausgestellt auf Ostberlin, die Hauptstadt der DDR, nicht aber auf den Kreis Königs
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher