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Ein Mann fürs Grobe

Ein Mann fürs Grobe

Titel: Ein Mann fürs Grobe
Autoren: Horst Bosetzky
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während Heike bei ihrer kranken Mutter war, wurde langsam pathologisch. Schon krampften sich seine Därme zusammen, und er mußte zur Toilette rennen, selber von einem heftigen Durchfall geplagt.
    Gerade in dem Moment, wo er sich wie in Wehen krümmte und auf die zweite Welle wartete, klingelte das Telefon. Es war zwar auf ‹leise› gestellt, aber noch ein paar Sekunden, und Silvester schreckte hoch. Ihn danach wieder zum Einschlafen zu bringen war nur möglich, wenn er die Brust bekam. Nicht seine. Die war ihm auch schon versuchsweise hingehalten worden, doch nachdem seine Saugversuche kläglich gescheitert waren, hatte er seine Empörung so laut herausgeschrien, daß die Nachbarn gedroht hatten, das Jugendamt zu holen.
    Ein notdürftiges Wischen, und Mannhardt riß die Hosen hoch, um zum Telefon zu eilen. Dabei glich er mehr einem hüpfenden Känguruh als einem Sprinter. Er riß den Hörer hoch. Es war seine reizende Kollegin Yaiza Teetzmann.
    «Stör’ ick dich jrade bei ’ner wichtigen Verrichtung...?»
    «Ja.» Mannhardt war grantig.
    «Macht nischt: ’n zweetet Kind würde dich eh übafordern.»
    «Mann, Heike ist nicht da, und ich hab mächtigen Durchfall! Was ist denn: Kommst du wieder mit deiner Steuererklärung nicht klar?»
    «Wat Dienstlichet!»
    «Polizei schreibt man mit P wie Paula und o wie Otto. Nicht Pullizei, wie man’s spricht.»
    «Haste wieda ’n Crashkurs an’er Volkshochschule mitgemacht: ‹Wie bin ich im Alltag ganz besonders witzig?› Gratuliere!»
    Mannhardt hätte sich gerne vollends in Ordnung gebracht. «Was ist denn nun?»
    «In Lübars oben, am Tegeler Fließ, ist ’n Taxifahrer erschossen worden.»
    «Na und, ’s gibt doch ohnehin zu viele davon...»
    «Los, setz da in Marsch!»
    Mannhardt stöhnte auf. «Ich kann nich, ich hab den Papst am Hals.»
    «Deine Schuld! ‹Am Rohrbusch› heißt die Straße, wo et is. Bis bald!»
    Mannhardt, die Hose in der Hand, den Hintern nicht richtig gewischt, ein Häufchen Elend, stand da und hoffte, daß die Welt für ein paar Millionen Jahre schockgefrostet würde. Es war genau 23 Uhr 23. Wo sollte er um diese Zeit einen Babysitter herbekommen? Die Nachbarn schliefen längst, seine Mutter wohnte am anderen Ende der Stadt, und Yaiza Teetzmann war wohl kaum verfügbar.
    Blieb wohl nur eins...
     
    So titelten die Tageszeitungen am übernächsten Morgen, und es war die Sensation schlechthin: Leiter der Mordkommission mit Kinderwagen am Tatort.
    «Fürchten Sie nicht, daß Ihre Vorgesetzten Ärger machen?» fragte ein Reporter.
    «Nein. Und wenn, dann wende ich mich eben an den Männerbeauftragten der Berliner Verwaltung.»
    «Was sagt denn Ihr Sohn dazu, wenn er hier den Erschossenen sieht?»
    «a) Schläft der ganz friedlich, und b) ist es die beste Erziehung, wenn man seine Kinder frühzeitig leichenfest macht – wer weiß, was die noch alles erleben werden...»
    «Haben Sie schon Erkenntnisse im Hinblick auf die Tat?»
    «Nein, solange Sie mich an der Arbeit hindern, bestimmt nicht...» Mannhardt kämpfte sich zu Yaiza Teetzmann durch.
    «Da steht die Taxe...» Sie zeigte zum Eichwerdersteg hinunter, einer mehrere hundert Meter langen und vielfach geknickten schmalen Brücke, die über das Tegeler Fließ mitsamt seinem breiten Gürtel aus Sumpf und Schilf hinweg nach Hermsdorf führte, zur Veltheimstraße.
    Mannhardt stand wie versteinert da und hatte Mühe, den Film zu verstehen, in dem er sich nun sah. Was war der Augenblick und was die Rückblende, was Realität und was nur Traum? ... denn ein Traum ist alles Leben, / und die Träume selbst ein Traum. Hier am Tegeler Fließ, ein Stückchen weiter nach Hermsdorf hin, hatte er nach der Trennung von Lilo zwei Jahre lang gewohnt, war er zum Alki geworden und hatte versucht, seinen Vorgesetzten mit einem Ziegelstein ins Jenseits zu schicken. Befand er sich noch immer oder, per Zeitmaschine, wieder in dieser Zeit, und kamen in der nächsten Sekunde Blaubacke und Suppenhuhn über den Steg, seine Kumpane von damals ?
    «Ist dir nich gut?» fragte Yaiza Teetzmann.
    «Doch, doch...» Mannhardt nahm den Kinderwagen und schob ihn zur Taxe hin. Silvester schlummerte friedlich, den winzigen Daumen im Mund. Die Fahrt auf dem Rücksitz war ihm gut bekommen.
    «Wie süß !» rief Yaiza Teetzmann.
    «Der erschossene Taxifahrer?» fragte Mannhardt. «Wieso?»
    Yaiza Teetzmann fand das gar nicht komisch und wurde sehr schnell sachlich. «Heißt Wuttkowski, Wolfgang, kommt aus der Weisestraße 50 in
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