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Ein Mann fürs Grobe

Ein Mann fürs Grobe

Titel: Ein Mann fürs Grobe
Autoren: Horst Bosetzky
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gemacht.
    Als sie aus der Ankunftshalle kam, war mir sofort klar, daß das ’ne Lady war. Dieser Gang, dieser Blick: eine Frau mit Macht. Sie trug einen langen karamelfarbenen Rock und Stiefel nach Art von Farmersfrauen, was mich sofort erregte. Als sie hinten in den Wagen stieg, da wußte ich sofort, daß sie mein Karma war. Ich muß noch erwähnen, daß ich die Präkognition für sehr wahrscheinlich halte, das heißt: Alles Geschehen existiert bereits, und nur dadurch, daß wir es schrittweise erfahren, entsteht für uns die Zeit. Daß Sabine und ich ein Paar werden würden, war also schon seit Ewigkeiten im großen Buch des Lebens festgeschrieben worden, und uns blieb nur noch, das nachzuvollziehen, was dort geschrieben stand.
    «Zur Contrescarpe bitte», sagte sie, ohne mich anzusehen. Ich war Luft für sie, nur eine subalterne Figur, kein eigentlicher Mensch.
    «Sehr wohl, gnädige Frau.» Ich nahme die Rolle eines Chauffeurs und Butlers gleichmütig an, wußte ich doch – siehe Karma –, daß sie mit mir im Bett liegen würde, ehe der Morgen angebrochen war.
    Wer an der Contrescarpe wohnte, gehörte zu den oberen Zehntausend der Stadt, und ich tippte darauf, daß sie in irgendeiner unserer Nobelfirmen die Abteilung Werbung leitete.
    Weit war es nicht, nur durch die Neustadt hindurch und über die Weser hinüber. Aber ich brauchte mich ja mit nichts zu beeilen, denn wenn meine Karma-These richtig war, kam ja alles so, wie es kommen mußte. Ich spulte nur das gleiche Programm ab, wie bei allen Fahrgästen. Irgendwie mußte ich ja wach bleiben, und wenn man die Leute mit Informationen und flotten Sprüchen unterhielt, war das Trinkgeld immer höher, als wenn man nur mufflig hinterm Lenkrad hockte.
    «Wie war der Flug? Im Winter ist es einem ja immer etwas bange da oben – wegen der Vereisungsgefahr an den Tragflächen...»
    Sie begann, mich wahrzunehmen. Meine Stimme machte Frauen an, das wußte ich, das war so eine Mischung von Joe Cocker und Eros Ramazotti. «Die Vereisungsgefahr...», wiederholte sie. «Wenn’s man bloß die Tragflächen wären... Da hilft Glykol.»
    Ich wußte: das war der Ansatzpunkt. «Aber bei den Herzen der Menschen, da ist das nicht so einfach, die wieder zu enteisen... Sie sind mächtig enttäuscht worden...?»
    «Ja...»
    Ich versuchte, sie im ungewissen Licht per Rückspiegel mit meinen Augen zu packen. Doch das gelang nur unzulänglich, denn mal fielen ihr die Strahlen der Neonleuchten wie schwache Blitze ins Gesicht, mal war es fast so dunkel wie in einem Tunnel. «Beruflich oder privat?»
    «In beidem.»
    «Ah, ja...» Ich hatte im Nebenfach Psychologie studiert und in so vielen Betrieben gejobbt, daß ich zu wissen glaubte, was das hieß: Sie hatte einen der Bosse geliebt, war durch ihn aufgestiegen und stand nun kurz davor, abserviert zu werden. Konnte ich es wagen, dies anzudeuten? Ich tat es einfach.
    «Nein, nein...» Es stellte sich heraus, daß sie Diplomingenieurin war, eine promovierte zudem, und bei der «NordConsulting» auch ohne jede Protektion auf gestiegen war. «Und mit Fokken ins Bett, o Gott, das hätte ich nicht mal fertiggebracht, wenn er mich anschließend zur Bundesbauministerin gemacht hätte. Das war alles ganz anders...»
    Wie es denn gewesen war, das erfuhr ich erst später, denn wir waren nun vor ihrer Haustür angekommen.
    «Ob Sie mir wohl den schweren Koffer nach oben tragen würden?»
    «Aber natürlich.» Ich tat es und verrenkte mir dabei die rechte Schulter.
    «Oh, das tut mir aber leid. Warten Sie, ich habe da eine Salbe...»
    «Danke sehr...» Ich stand vor ihrem Apartment und massierte mir die schmerzende Stelle.
    «Kommen Sie doch rein, ich kann das so schnell nicht finden...»
    So stand ich dann bei ihr in der Diele und hörte sie im Bad herumwühlen. Klar, das gehörte zum Ritual, und sie mußte es tun, um ihr Gesicht zu wahren. «Ihr Verdienstausfall, das ist alles meine Schuld... Der Koffer ist auch viel zu schwer gewesen...»
    «Nein, wirklich, ich...» Ich spürte instinktiv, daß sie nur etwas von der Sache hatte, wenn ich mich klein und hilflos gab.
    Sie fand die Salbe nicht und schlug mir vor, daß ich mich statt dessen in die Küche setzen und warten sollte, bis sie Kaffee für mich gekocht hatte. Das kannte ich, denn meine Freunde spotteten gerne: Gegen Immo ist keine immun. Doch mit jeder neuen Affäre wurde ich nur unglücklicher.
    Mit Sabine aber sollte alles anderes werden. Wir redeten die ganze Nacht miteinander, und als wir
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