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Eine tollkuehne Lady

Titel: Eine tollkuehne Lady
Autoren: Gaelen Foley
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1. Kapitel
    Indien, 1817
    Unter einem pfauenblauen Himmel, am Ufer des von Palmen gesäumten Hugli, breitete sich die sonnendurchflutete Stadt Kalkutta aus wie ein lebendig gewordener Wandteppich - oder wie ein bunter Seidenschal, der in der nach Gewürzen duftenden Brise wehte.
    Vogelschwärme umkreisten die gewundenen Türme antiker Hindu-Tempel, unter deren reich verzierten Torbögen Gläubige in farbenprächtigen Gewändern auf den Steinstufen badeten, die zum Fluss hinunterführten. Direkt an das dunstige Flussufer grenzte auch der lärmende Basar, ein Durcheinander von Händlern, überfüllten Ständen und Zelten, in denen alles Erdenkliche angeboten wurde, von afghanischen Teppichen bis hin zu Aphrodisiaka, die aus dem Horn des Nashorns gemacht waren.
    Weiter entfernt von den überfüllten Ufern bestimmten die geschäftlichen Aktivitäten der Hauptstadt Britischindiens das wimmelnde Treiben am Fluss. Die Handelsmonopole, die viele Jahre lang bei der East Indiz Company gelegen hatten, waren gerade aufgehoben worden - nun war es für jedermann möglich, wahre Vermögen zu erwerben. Händler und Kaufleute beluden überall an den Docks ihre schweren Schiffe bis in den letzten Winkel mit ihren Waren, um sie in ferne Welten zu bringen.
    Mitten in all dem Trubel und der Überfülle erreichte still ein flacher Schoner die Kaimauern Kalkuttas.
    Ein hochgewachsener, imposant wirkender Engländer lehnte an der Reling, stützte sich mit den Händen ab, das markante Kinn nach vorn gereckt. Seine außergewöhnliche Größe, die elegante Londoner Kleidung und die Ruhe, die er ausstrahlte, unterschieden ihn von den schmutzigen, barfüßigen Seeleuten, die um ihn herum ihre Arbeit taten, Anker setzten und Segel einrollten.
    Er war dunkelhaarig, besaß strenge, vornehme Züge und kluge graugrüne Augen, die lebhaft funkelten, als er das Geschehen am Kai aufmerksam betrachtete. Nichts entging ihm, während er über seine Mission nachdachte...
    Jedes Jahr im Herbst, wenn die endlosen Regengüsse des Monsuns nachließen, der Himmel aufklarte und sich die Flut beruhigte, begann die Zeit des Krieges. Schon jetzt wurden die Trommeln geschlagen, und viele Meilen entfernt wurden Truppen zusammengezogen.
    Es war Oktober geworden. Bald würde der Boden trocknen und hart genug sein für die Räder der Lafetten und die Pferde der Kavallerie. Bald würde das Morden anfangen.
    Wenn er es nicht verhindern konnte.
    Langsam drehte Ian Prescott, Marquess of Griffith, den Kopf und blickte über seine breite Schulter zu den Booten in der Nähe. Ihm war bewusst, dass er verfolgt wurde.
    Nun, das war nichts Neues. Er hatte seinen Verfolger noch nicht entdeckt, aber im Verlaufe der vielen Jahre seiner Tätigkeit als Diplomat hatte er einen sechsten Sinn in solchen Dingen entwickelt - eine Gabe, die ihm schon so manches Mal das Leben gerettet hatte. In der Tat war er schwerer umzubringen als ein gewöhnlicher Adeliger, ein Umstand, den Attentäter aus aller Herren Länder hatten begreifen müssen, sehr zu ihrem Leidwesen.
    Verborgen in seiner hervorragend geschnittenen Kleidung trug er sehr diskret ein ganzes Waffenarsenal bei sich; außerdem konnten die rivalisierenden Kolonialmächte in dieser Gegend keinen englischen Diplomaten seines Ranges ermorden, ohne einen internationalen Zwischenfall zu verursachen.
    Trotzdem wäre es nett zu erfahren, wer es war, der ihn verfolgte.
    Vielleicht Franzosen?, überlegte er. Wie immer waren das die wahrscheinlichsten Verdächtigen, obwohl er die Holländer nicht außer Acht lassen durfte, die sich noch immer nicht damit abgefunden hatten, Ceylon an die Briten verloren zu haben. In Goa waren die Portugiesen stark präsent. Zweifellos hatten alle drei Länder Agenten losgeschickt, um in Erfahrung zu bringen, was die Briten jetzt vorhatten.
    Wenn der Spion allerdings vom Maharadscha von Jan-pur geschickt worden war, nun, das wäre etwas anderes und eine etwas weniger vorhersehbare Angelegenheit. Aber wer immer es sein mochte - wenn sie mich umbringen wollten, dachte er, dann hätten sie es schon getan.
    Als der Schoner fest am Kai vertäut war, winkte Ian seinen drei indischen Dienern und verließ das Schiff.
    Seine schwarzen Stiefel klangen schwer auf den Planken, während er mit entschlossenem Schritt darüber hinwegging. In den Sohlen waren kleine, an Federn befestigte Klingen angebracht. In seinem Spazierstock mit dem silbernen Griff steckte ein Degen, und eng am Körper, unter dem olivgrünen Tagesrock, trug
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