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Ein Lottogewinn und 8 Millionen andere Probleme

Ein Lottogewinn und 8 Millionen andere Probleme

Titel: Ein Lottogewinn und 8 Millionen andere Probleme
Autoren: Keren David
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nicht will.«
    Er zuckte die Achseln. »Ist halt so.«
    Ich wollte eben nachhaken, da ging die Haustür auf. Grrr! Wahrscheinlich hatte Dad aus dem Fenster geschaut. Er war im Morgenmantel, blass und unrasiert. Wie peinlich! Er sah aus wie ein Schwerkranker. Bloß weil es Mitternacht war, brauchte er sich dochder Öffentlichkeit nicht im Zombielook zu präsentieren!
    »Wo warst du?«, fragte er. »Deine Mutter hat sich schreckliche Sorgen gemacht! Sie fährt mit dem Auto durch die Gegend und sucht dich.«
    Wie bitte? »Sie hat mich rausgeworfen!«, sagte ich wütend. »Hat sie dir das nicht erzählt? Aber natürlich ist jetzt wieder mal alles meine Schuld!«
    »Sie hat gesagt, du warst frech und unverschämt.«
    »Blöde Ziege! Sie lügt!«
    »Wie auch immer, komm jetzt rein. Wenn Mum wieder da ist, entschuldigst du dich bei ihr.«
    »Nur über meine Leiche!«
    Raf hüstelte. »Äh … guten Abend, Mr Latimer.« Er streckte Dad die Hand hin und mein überraschter Vater ergriff sie. »Ich bin Rafael Forrest. Ich bin in Lias Chemiekurs und arbeite im Internetcafé auf der Hauptstraße.«
    Er sprach seinen Namen mit leichtem Akzent aus: »Raff-a-elle«. Sehr sexy.
    »Du arbeitest noch neben der Schule? Alle Achtung«, sagte Dad mit einem vielsagenden Seitenblick auf mich.
    »Meistens abends«, sagte Raf.
    »Wir sind jedenfalls alle froh, dass der Laden nicht mehr leer steht.«
    »Das freut mich«, erwiderte Raf höflich. »Und Ihnen gehört die Bäckerei?«
    »Seit 1834 in Familienbesitz.« Dad war hörbar erfreut, dass sich jemand dafür interessierte. »Mein Ururgroßvater hat die Bäckerei damals aufgemacht. Die Wirtschaftskrise und die Einkaufspassage haben unsnatürlich zugesetzt – und dass heutzutage so viele Leute Diät halten und sich vor Kohlehydraten fürchten. Aber ich bin immer noch stolz auf unser Geschäft, doch, wirklich.«
    Ich beobachtete Raf verstohlen. Hatte er schon glasige Augen vor Langeweile? Im Gegenteil, es schien ihn tatsächlich zu interessieren.
    »Sie müssen sich bestimmt einiges einfallen lassen, um mithalten zu können«, sagte er.
    Dad nickte eifrig. »Nun ja, wir kleinen Läden müssen uns zusammentun. Ich habe mir da schon etwas überlegt …«
    »Hallo?! Ich bin vorhin ohnmächtig zusammengebrochen«, fiel ich ihm ins Wort. Ich musste übertreiben, sonst hätte er uns sein Konzept einer Ladenbesitzer-Vereinigung in allen Einzelheiten erklärt.
    »Lia hat Neuigkeiten«, sagte Raf. »Die Aufregung war zu viel für sie.«
    »Du bist in Ohnmacht gefallen, Lia? Das ist doch sonst nicht deine Art. Meine Tochter ist nämlich stark wie ein Ochse«, sagte Dad stolz.
    »Ich muss los«, sagte Raf. »Wir sehen uns in der Schule, Lia.« Mit schnellen Schritten verschwand er in der Nacht. Wahrscheinlich sah er von nun an einen stämmigen Wiederkäuer vor sich, wenn er an mich dachte.
    »Hast du dir einen Schutzengel angelacht?«, fragte Dad spöttisch. Jetzt platzte mir endgültig der Kragen.
    »Raf hat sich wirklich Sorgen um mich gemacht. Er hat mich nach Hause begleitet, weil ich umgekippt bin! Aber dir ist es ja egal, wie es mir geht!«
    Dad kratzte sich den Kopf. »Hast du was getrunken? Aber sicher nicht mit diesem wohlerzogenen jungen Mann. Eigentlich gar nicht dein Typ. Oder hat sich dein Geschmack in Bezug auf Jungs etwa geändert? Tja, es geschehen noch Zeichen und Wunder …«
    Meine Eltern waren fest davon überzeugt, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis ich mit Kiffen und Komasaufen anfing. Sie prophezeiten mir jetzt schon, dass ich eines Tages in einer dieser Reality-Soaps landen würde, in denen verhaltensauffällige Jugendliche in ein Bootcamp in Oregon geschickt werden. Dort werden sie von irgendwelchen wild gewordenen pseudomilitärischen Amis durch die Wildnis gescheucht, bis sie so mit den Nerven runter sind, dass sie heulend über den Briefen ihrer Eltern zusammenbrechen und Besserung geloben. »Elternpornos« nannten Jack und ich solche Sendungen.
    »Klappe«, sagte ich automatisch, dabei staunte auch ich über Rafs … Selbstsicherheit. Er war Dad gegenüber aufgetreten wie jemand, der schon viel erlebt hat – wie ein Vampir zum Beispiel? Aber sein Gesicht … seine schönen, fein geschnittenen Züge …
    Ein gefallener Engel. Oder einfach nur ein Engel, denn die von der gefallenen Sorte sollen ja eher unerfreuliche Typen sein. Raf hatte prophezeit, dass mit meinen Eltern alles wieder gut würde. War das eine himmlische Botschaft gewesen?
    »Du entschuldigst dich
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