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Ein Lied für meine Tochter

Ein Lied für meine Tochter

Titel: Ein Lied für meine Tochter
Autoren: Jodi Picoult
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»Weißt du, was das heißt?«, hat er grinsend gefragt. »Weißt du das?«
    Ja, ich wusste, was das hieß. Das hieß, dass ich stumm in der Ecke würde sitzen und zuschauen müssen, wie Liddy mit meinem Kind unter dem Herzen immer runder und runder werden würde. Das hieß, dass ich draußen würde warten müssen, während Reid bei der Entbindung half. Und das hieß, dass ich würde zusehen müssen, wie Reid und Liddy sich mehr und mehr in ihr Kind verlieben, während ich das fünfte Rad am Wagen bin.
    Aber Liddy sah so gottverdammt glücklich aus. Sie war noch gar nicht schwanger, und trotzdem strahlte sie von Kopf bis Fuß. »Das schreit nach etwas Besonderem«, sagte Reid und ließ mich allein mit Liddy.
    Ich trat einen Schritt vor und dann noch einen. »Ist das wirklich, was du willst?«, flüsterte ich. Und als Reid zurückkehrte, lösten wir uns wieder voneinander. »Ich gratuliere, Liddy«, sagte ich und küsste sie auf die Wange.
    Reid hielt eine schäumende Flasche Champagner und zwei Gläser in der Hand. In seiner Tasche steckte eine Flasche Root Beer. Die war offenbar für mich. »Trink«, sagte er zu Liddy. »Schließlich gibt es ab jetzt nur noch Sojamilch.« Er gab mir das Root Beer und sagte: »Lasst uns anstoßen. Auf die wunderschöne, zukünftige Mama!«
    Ich prostete ihr zu. Wie hätte es auch anders sein sollen?
    »Auf Wade!«, rief Reid und hob sein Glas erneut. »Und auf Lucy!«
    Verwirrt schaute ich ihn an. »Wer ist denn Lucy?«
    »Clive Lincolns Stieftochter«, erklärte Reid. »Zoe hat sich definitiv das falsche Mädchen ausgesucht.« Er leerte sein Glas, doch ich trank keinen Schluck. Stattdessen stellte ich meine Flasche auf die unterste Treppenstufe und ging hinaus.
    »Ich brauche ein wenig frische Luft«, sagte ich.
    »Lass mich dich begleiten …« Liddy trat einen Schritt auf mich zu, aber ich hob die Hand. Blind ging ich zu dem Pavillon, wo ich erst vor wenigen Minuten mit Zoe gesessen hatte.
    Ich hatte Pastor Clives Frau bestimmt schon hundert Mal gesehen, und auch seine drei Mädchen, die mit ihr auf der Bühne sangen. Keine von ihnen war auch nur annähernd alt genug, um schon auf der Highschool zu sein. Und keine von ihnen hieß Lucy, das wusste ich.
    Aber da war noch ein anderes Kind. Ein schwarzes Schaf, das sich durch die Gottesdienste quälte und nie zu den Gemeindetreffen kam. Wenn das seine Stieftochter war, dann hieß sie mit Nachnamen sicher nicht Lincoln. Es war also durchaus möglich, dass Zoe die Verbindung nie hergestellt hatte.
    War dieses Mädchen wirklich hilfesuchend zu Zoe gegangen, weil sie Angst gehabt hatte, homosexuell zu sein? Hatte sie ihrer Mutter und ihrem Stiefvater davon erzählt? Und war Pastor Clive sofort davon ausgegangen, dass Zoe versuchte, Lucy für ihren Lebensstil zu rekrutieren … denn jede andere Erklärung hätte ein schlechtes Licht auf ihn geworfen.
    Oder hatte Pastor Clive, der wusste, dass sie vor Gericht Munition brauchten, diese Aussage von seiner Stieftochter erzwungen? Hatte er sie die Lesbe spielen lassen, damit ich gewinnen konnte? Damit er gewinnen konnte?
    Ich legte den Kopf in die Hände und versuchte verzweifelt, dieses Rätsel zu lösen, bis mir klar wurde, dass es eigentlich vollkommen egal war, wie es zu der Anzeige gekommen war.
    Wichtig war nur, dass es überhaupt passiert war.
    Richter O’Neill schaut zu Zoe hinüber, die nur auf den Tisch starrt. »Miss Baxter«, sagt er, »ziehen Sie Ihren Widerspruch aus freien Stücken wieder zurück?«
    Sie antwortet nicht.
    Hinter ihr hebt Vanessa die Hand und reibt Zoe die Schulter. Es ist nur eine winzige Geste, doch sie erinnert mich daran, wie ich die beiden zum ersten Mal auf dem Parkplatz des Supermarkts zusammen gesehen habe. Es ist die Art von Trost, wie man ihn spendet, wenn man jemanden lange kennt, jemand, den man liebt.
    »Miss Baxter?«, wiederholt der Richter. »Ist es das, was Sie wollen?«
    Langsam hebt Zoe den Kopf. »Nein, das ist nicht, was ich will«, sagt sie. »Aber es ist das, was ich tun werde.«
    Nach gut einer Stunde im Pavillon sah ich einen Geist.
    Wie eine Erinnerung bewegte er sich übers Gras und schlüpfte zwischen den Bäumen hindurch. Ich glaubte, meinen Namen zu hören.
    Max , sagte Liddy erneut, und ich wachte auf
    »Du kannst nicht hier draußen schlafen«, sagte sie. »Du wirst erfrieren.«
    Sie setzte sich in ihrem Baumwollnachthemd neben mich.
    »Was macht ihr zwei da drin?«, fragte ich. »Überlegt ihr euch einen Namen für das
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