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Ein Lied für meine Tochter

Ein Lied für meine Tochter

Titel: Ein Lied für meine Tochter
Autoren: Jodi Picoult
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sich erhebt.
    »Ich kann sie erledigen«, flüstert Pastor Clive.
    »Gut, dass Sie sitzen, Euer Ehren«, beginnt Wade, »denn dieses eine Mal stimmen wir mit Angela Moretti vollkommen überein.«
    Ben dreht sich zu Pastor Clive um. »Ernsthaft?«
    Pastor Clive nickt. Ben steht auf und geht zu Wade, der noch immer spricht. »Wir sind der Meinung, dass es in der Tat besser wäre, die Embryonen einem lesbischen Paar zu geben, als sie zu verbrennen …« Er hält inne, als Ben ihm etwas ins Ohr flüstert. »Euer Ehren«, fragt Wade, »können wir wohl kurz eine Pause einlegen?«
    »Was zum …?«, sagt Angela Moretti.
    »Mein Kollege hat mich gerade darüber informiert, dass es neue Beweise gibt, die Ihre Entscheidung in diesem Fall beeinflussen könnten.«
    Der Richter schaut von ihm zu Angela. »Fünfzehn Minuten«, verkündet er.
    Der Gerichtssaal leert sich. Wade zieht Angela Moretti beiseite und spricht leise mit ihr. Einen Augenblick später schnappt sie sich Zoe und scheucht sie aus dem Saal. »Wir hätten uns kein größeres Wunder wünschen können«, verkündet Wade und kehrt wieder zu mir zurück.
    »Was ist denn los?«
    »Ihre Exfrau ist angezeigt worden, weil sie eine Schülerin sexuell belästigt hat«, erklärt Wade. »Mit anderen Worten: Sie können jetzt schon mal eine Wiege und einen Kinderwagen kaufen gehen. Kein Richter der Welt wird jemandem ein Baby geben, der ein Kind missbraucht hat. Meiner Meinung nach haben Sie diesen Fall gerade gewonnen.«
    So weit denke ich gar nicht. »Zoe würde nie so etwas tun«, sage ich. »Das kann nicht wahr sein.«
    »Es ist doch egal, ob es wahr ist oder nicht«, sagt Ben, »solange der Richter es mitbekommt.«
    »Aber das ist nicht in Ordnung. Zoe könnte ihren Job verlieren …«
    Wade winkt ab. »Max, mein Junge«, sagt er. »Der Preis gehört uns!«

Zoe
    »Bitte, sagen Sie mir, dass Sie noch nie etwas von einem Mädchen mit Namen Lucy DuBois gehört haben«, sagt Angela.
    Sofort sehe ich Lucy vor meinem geistigen Auge mit ihrem langen roten Haar, den abgekauten Fingernägeln und den Narben auf den Armen. »Ist sie okay?«
    »Weiß ich nicht.« Angelas Stimme klingt angespannt. »Gibt es da vielleicht etwas, was Sie mir sagen wollen?«
    Vanessa zieht sich einen Stuhl heran und setzt sich neben mich. Wir sind wieder in dem kleinen Konferenzraum von gestern. Draußen regnet es, und die Welt ist so saftig grün, dass es einem in den Augen wehtut. »Lucy ist eine Schülerin, die unter starken Depressionen leidet«, erklärt Vanessa Angela. »Hast du mir nicht erzählt, sie habe sich vor zwei Tagen so aufgeregt?«
    »Sie hat davon gesprochen, sich das Leben zu nehmen. Oh, mein Gott, das hat sie doch nicht, oder?«
    Angela schüttelt den Kopf. »Ihre Eltern haben Sie wegen sexuellen Missbrauchs angezeigt, Zoe.«
    Ich blinzele. Offensichtlich habe ich mich verhört. »Was?«
    »Sie sagen, Sie hätten sich bei zwei unterschiedlichen Gelegenheiten an ihr vergangen.«
    »Das ist doch lächerlich! Unsere Beziehung ist rein professionell!« Ich drehe mich zu Vanessa um. »Sag es ihr.«
    »Lucy ist zutiefst verstört«, erklärt Vanessa. »Was auch immer sie gesagt hat, ist demnach mit Vorsicht zu genießen.«
    »Deshalb ist es ja auch so schlimm, dass jemand mit Namen Grace Belliveau an Eides statt erklärt hat, sie habe Zoe und das Mädchen in einer kompromittierenden Position beobachtet.«
    Ich habe das Gefühl, als würden sich plötzlich meine Knochen auflösen. »Wer zum Teufel ist denn Grace Belliveau?«
    »Sie ist Mathelehrerin«, sagt Vanessa. »Ich bezweifele, dass du sie je kennengelernt hast.«
    Kurz sehe ich eine Lehrerin mit kurzem schwarzem Haar vor meinem geistigen Auge. Nach einer besonders emotionalen Sitzung mit Lucy steckt sie kurz den Kopf in den Raum. Und ich reibe Lucy den Rücken.
    Aber sie hat doch geweint , will ich sagen.
    Das ist nicht so, wie ihr denkt.
    Ich habe Barneys Song auf der Ukulele gespielt und Lucy gesagt, ich kenne die Wahrheit: dass sie mich aussperre aus Angst, dass ich das sonst mit ihr machen könnte. Ich habe ihr gesagt, dass ich sie nicht verlassen würde. Niemals.
    »Das Mädchen behauptet«, erklärt Angela, »dass Sie ihr gesagt haben, dass Sie homosexuell sind.«
    »Jetzt hören Sie aber auf.« Vanessa schüttelt den Kopf. »Dank des Medienrummels weiß das doch ohnehin schon jeder. Was auch immer das ist, es ist von vorne bis hinten erstunken und erlogen.«
    »Ja, ich habe ihr gesagt, dass ich lesbisch bin«, gebe ich zu.
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