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Ein Lied für meine Tochter

Ein Lied für meine Tochter

Titel: Ein Lied für meine Tochter
Autoren: Jodi Picoult
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»Und zwar, als ich sie das letzte Mal gesehen habe. Eigentlich ist das das Letzte, was man in eine Therapie einbringen will, aber sie hat sich so über Pastor Clives Hasstiraden aufgeregt. Sie hat wieder von Selbstmord gesprochen, und … Ich weiß nicht … Ich hatte einfach das Gefühl, dass sie ihre eigene Sexualität infrage stellt und dass ihre Familie ihr in dieser Frage sicher keine Stütze sein würde. Ich habe gedacht, es würde ihr helfen zu wissen, dass jemand, den sie respektiert – jemand wie ich –, ein guter Mensch und trotzdem lesbisch sein kann. Ich wollte ihr eine Alternative zu den Predigten zeigen, die sie vermutlich in der Kirche hört.«
    »Sie geht in Pastor Clives Kirche?«, fragt Angela.
    »Ja«, antwortet Vanessa.
    »Nun, damit wäre dann auch geklärt, wie Pastor Clive Wind davon bekommen hat.«
    »Dann ist die Anzeige also noch nicht öffentlich?«, fragt Vanessa.
    »Nein«, sagt Angela. »Und welch Überraschung! Wade sagt, dass er die Familie unter Umständen davon überzeugen könne, es nicht publik zu machen und die Anzeige gar zurückzuziehen. Irgendjemand aus Lucys Familie muss Rat bei Pastor Clive gesucht haben. Vielleicht haben sie sogar Lucy selbst zu ihm geschleppt.«
    Es geht nicht um einen Jungen , hat Lucy gesagt.
    Es ging um ein Mädchen.
    Könnte ich das gewesen sein? War ihre Zuneigung zu mir mehr als nur Freundschaft? Könnte sie etwas gesagt, gesungen oder geschrieben haben, was ihre Eltern falsch gedeutet haben?
    Oder hat Lucy gar nichts getan, hat sie einfach endlich den Mut für ein Coming-out gehabt …? Und ihre Eltern haben das dann zu einer Lüge verdreht, die sie leichter haben akzeptieren können.
    »Wie ist die Mutter so?«, fragt Angela.
    Vanessa schaut sie an. »Gottergeben. Sie tut, was ihr Mann ihr sagt. Ihn habe ich allerdings nie kennengelernt.«
    »Hat Lucy noch Geschwister?«
    »Drei, alle jünger als sie. Sie sind gerade in der Mittelschule«, sagt Vanessa. »Soweit ich weiß, ist ihre Mutter zum zweiten Mal verheiratet. Lucys biologischer Vater ist gestorben, als sie noch ein Baby war.«
    Ich drehe mich zu ihr um. »Du glaubst mir doch, oder? Du weißt, dass ich so etwas nie tun würde.«
    »Ich glaube Ihnen«, erklärt Angela. »Und vielleicht wird sogar der Richter Ihnen glauben. Bis dahin wird man Sie im Gerichtssaal jedoch über glühende Kohlen jagen, Zoe. Die Vorwürfe werden in jeder Zeitung stehen, und selbst wenn Sie den Fall gewinnen sollten, wird irgendwas an Ihnen hängen bleiben.«
    Ich stehe auf. »Ich muss mit Lucy reden. Wenn ich nur mit ihr …«
    »Ich möchte Sie nicht in ihrer Nähe sehen!«, brüllt Angela. »Wissen Sie eigentlich, was für ein Triumph das für Wade Preston wäre?«
    Stumm lasse ich mich auf den Stuhl zurückfallen.
    »Sie haben über viel nachzudenken, Zoe«, sagt Angela. »Denn Sie könnten diese Embryonen bekommen … aber das könnte Sie auch Ihre Karriere kosten.«
    Angela beantragt eine Verhandlungspause von einem Tag, um die neue Information erst mal zu verdauen. Meine Mutter, Vanessa und ich schleichen uns wieder durch den Liefereingang auf den Parkplatz, doch diesmal haben wir nicht das Gefühl, der anderen Seite ein Schnippchen geschlagen zu haben, es kommt uns so vor, als würden wir uns verstecken.
    »Geh ein Stück mit mir«, sagt meine Mutter, kaum dass wir draußen sind.
    Wir sind hinter dem Gerichtsgebäude, nahe der Ladezone. Ich sage Vanessa, ich würde sie später beim Wagen treffen, dann folge ich meiner Mutter zu einer großen grünen Mülltonne. Zwei Frauen in engen Sommerkleidern, in denen sie wie Presswürste aussehen, rauchen dort eine Zigarette. »Dwayne ist ein Arschloch«, sagt eine von ihnen. »Ich hoffe, wenn er wieder zurückkommt, sagst du ihm, dass er sich verpissen soll.«
    »Bitte, entschuldigen Sie«, wendet meine Mutter sich an die beiden. »Wir würden gerne kurz unter vier Augen miteinander reden.«
    Die beiden Frauen schauen sie an, als wäre sie verrückt, doch sie gehen tatsächlich wieder rein. »Erinnerst du dich noch daran, wie ich herausgefunden habe, dass ich viertausend Dollar weniger als Hudd Sloane verdient habe, als wir beide in diesem Reisebüro gearbeitet haben?«, beginnt meine Mutter.
    »Vage«, antworte ich. Ich war damals zwölf. Ich erinnere mich nur daran, dass meine Mutter gesagt hat, ein Streik sei ein Streik, auch wenn die Gewerkschaft nur aus einem Mitglied besteht.
    »Und erinnerst du dich noch daran, wie ich gegen die Darstellung von
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