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Der Eroberer

Der Eroberer

Titel: Der Eroberer
Autoren: Brenda Joyce
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Kapitel 1
    In der Nähe von York, im Juni 1069
    »Herr?«
    »Jagt die Bauern aus den Katen.«
    Gleichmütig sah Rolfe von Warenne zu, wie sein Vasall Guy von Chante sein Streitross herumriss und den Befehl an seine Krieger weitergab. Reglos wie ein Standbild saß der Normanne auf seinem mächtigen grauen Hengst, den Helm seiner Rüstung in der linken Armbeuge. Die flachsfarbenen Locken klebten ihm schweißnass an der Stirn, das Kettenhemd umspannte seine breite Brust, seine rechte Hand lag locker auf dem Heft seines Schwerts.
    Er beobachtete, wie seine Männer die Dorfbewohner aus den Katen jagten, drehte den Kopf ein wenig nach links und ließ den Blick über das Dutzend erschlagener sächsischer Rebellen schweifen, deren. Leichen in der heißen Junisonne bereits den unverwechselbaren Gestank des Todes ausdünsteten. Aufgewühlt vom Kampfgeschehen, rauschte ihm das Blut in den Adern, seine Muskeln waren noch angespannt. Wieder war ein Nest sächsischer Rebellen ausgehoben. Der Krieg in dem wilden Norden Englands schien nicht enden zu wollen. Erst vor vierzehn Tagen hatte König Wilhelm seine Vasallen in York um sich versammelt, nachdem seine Heerscharen die dänischen Eindringlinge zurückgedrängt, York befreit und die Sachsen in die Flucht geschlagen hatten. Es war der zweite Aufstand innerhalb von zwei Jahren gewesen, und König Wilhelm hatte vor Wut geschäumt, da die sächsischen Lords Edwin und Morcar ein weiteres Mal entkommen waren und sich in die walisischen Sümpfe verkrochen hatten. Seine eiserne Faust war auf die schwere Tischplatte niedergefahren und hatte sie zum Erzittern gebracht.
    »Keine Gnade!« hatte er gedonnert. »Wir werden jede Hütte und jede Scheune niederbrennen, bis diese Barbaren begriffen haben, wer ihr heiliger, gesalbter König ist! «
    So lauteten seine Befehle.
    Nun sah Rolfe teilnahmslos zu, wie seine Ritter ein Dutzend Männer und Weiber ins Freie trieben. Das Dorf bestand, wie die meisten dieser Weiler, aus ein paar strohgedeckten Hütten und einer Wassermühle, umgeben von Schafweiden, einem Getreidefeld und Gemüsebeeten. Ein gellender Wutschrei ließ ihn herumfahren.
    »Nein!« Eine Bauermagd klammerte sich an Guys Arm, der das Schwert hob, um eine Sau zu schlachten. Guy ließ sich von dem Geschrei der Magd nicht beirren und schlug dem Tier den Kopf ab. Blut spritzte auf das Gewand der Frau und Guys Pferd.
    Rolfes Interesse war geweckt. Wie tollkühn und dumm von dem Weib, sich Guy zu widersetzen. Sie war jung und hatte kupferfarbenes Haar, das in der Sonne glänzte, als wäre es mit Goldsplittern gesprenkelt. Ihr Zopf im Nacken war so dick wie der Schweif eines Pferdes. Solches Haar hatte Rolfe noch nie gesehen.
    Die Frau blieb trotzig neben dem zuckenden Schwein stehen, die Arme fest um sich geschlungen. Guy trabte die Straße heran. Rolfe konnte den Blick nicht von ihr lösen, seine Lenden spannten. Guy zügelte sein Pferd, während die Magd von einem alten Mann zu dem Häuflein verängstigter Bauern gezerrt wurde. Rolfe fragte sich, wie sie wohl aus der Nähe aussehen mochte. Die Antwort war freilich ohne Bedeutung, sie würde ihren Zweck erfüllen …
    »Mylord?« Guy erwartete weitere Befehle.
    Zwei Ochsen und ein Dutzend Schafe waren geschlachtet worden, das würde reichen, um seine Mannen eine Woche zu ernähren. Rolfe wartete, bis einer der Ritter den Kadaver der Sau von der Straße gezogen hatte, dann richtete er seine kalten blauen Augen auf Guy. »Brennt alles nieder.«
    »Auch das Kornfeld?«
    Rolfes Kiefer mahlten. Ohne Vieh und Getreide würden die Bauern im Winter verhungern. Zumindest würden sie nie wieder Rebellen Unterschlupf zu gewähren. »Alles!«
    Guy nahm den Befehl mit starrer Miene entgegen. Er und die anderen Ritter waren keine Plünderer und Brandschatzer, nicht wie viele Söldner, die mit Wilhelm nach England gekommen waren. Rolfes Gefolgsleute waren in den Kriegskünsten umfassend ausgebildete Soldaten, die Elite der normannischen Streitmacht, die Schutztruppe des Königs – kampferprobt in langen Jahren des Krieges, in denen sie Wilhelms Stellung im Herzogtum Normandie gefestigt hatten. Die Truppen hatten Aufstände in Frankreich und Anjou niedergeschlagen und Maine erobert. Die Schlacht bei Hastings war im Vergleich dazu eine Kleinigkeit gewesen. Drei Jahre nach der Eroberung Englands stellten die Sachsen nun keine große Gefahr mehr dar. Lediglich in den Hügeln und Wäldern im Grenzland, wo sie sich verstecken und aus dem Hinterhalt
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