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Ein Lied für meine Tochter

Ein Lied für meine Tochter

Titel: Ein Lied für meine Tochter
Autoren: Jodi Picoult
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Tierquälerei gekämpft habe, als ihr im Kindergarten Wenn ich Zirkusdirektor wäre … gelesen habt?«
    »Ja.«
    »Und du weißt, dass ich die Erste bin, die ein Plakat malt, wenn eine Frau sich für ein politisches Amt bewirbt«, fügt sie hinzu.
    »Ja, das bist du.«
    »Ich erzähle dir das alles, weil ich will, dass du dich daran erinnerst, was für eine Kämpferin ich bin.«
    Ich schaue sie an. »Du denkst, ich sollte mich Wade Preston zum Kampf stellen.«
    Meine Mutter schüttelt den Kopf. »Im Gegenteil. Ich denke, du solltest aufgeben.«
    Ich starre sie ungläubig an. »Ich soll die Familie einer Teenagerin Lügen über mich verbreiten lassen? Ich soll nichts dagegen unternehmen?«
    »Nein, ich denke an dich und an das, was am besten für dich ist. In einer Kleinstadt – und Rhode Island ist nichts anderes, Liebes – neigen die Menschen dazu, nichts zu vergessen. Und ihre Erinnerungen sind meist noch nicht mal korrekt. Ich erinnere mich da zum Beispiel an die Mutter einer Mitschülerin von dir, die felsenfest davon überzeugt war, dein Vater sei an einem Herzinfarkt gestorben, als er mit seiner Geliebten im Bett gewesen ist.«
    »Daddy hatte eine Geliebte?«, frage ich schockiert.
    »Nein. Das ist es ja. Aber diese Frau war nicht davon abzubringen, denn so erinnerte sie sich daran. Selbst wenn du jedes Recht der Welt hattest, dieses Mädchen zu umarmen, als es geweint hat, selbst wenn du der einzige Mensch in ihrem Leben warst, der je akzeptiert hat, wer sie wirklich ist … Daran werden sich die Menschen in dieser Gemeinde nicht erinnern. Nach Jahren wirst du noch die Frau sein, die etwas mit einer Schülerin hatte.« Meine Mutter nimmt mich in den Arm. »Gib Max die Embryonen, und lebe dein Leben. Du hast eine wunderbare Partnerin, die immer noch Kinder bekommen kann. Und du hast deine Musik.«
    Ich spüre, wie mir eine einsame Träne über die Wange rinnt, als ich mich von ihr abwende. »Ich weiß nicht, was ich tun soll.«
    Meine Mutter lächelt traurig. »Du kannst ein Spiel nicht verlieren, wenn du vor dem Ende vom Tisch aufstehst.«
    Genau so würde Lucy das auch ausdrücken, denke ich.
    Anstatt nach Hause zu fahren, fährt Vanessa zum Leuchtturm am Point Judith. Wir ziehen unsere Schuhe aus und wandern über den Grasteppich, der an das Gebäude grenzt. Für ein älteres Ehepaar auf Urlaub machen wir ein Foto, und wir schützen unsere Augen mit der Hand vor der Sonne und versuchen zu erkennen, ob die Fähre nach Block Island gerade ankommt oder wegfährt. Im angrenzenden Park setzen wir uns auf eine Bank und halten Händchen, obwohl eine Frau, die das bemerkt, uns anfunkelt und sofort in die andere Richtung geht.
    »Ich muss dir etwas sagen«, sagt Vanessa schließlich.
    »Dass wir auch ein Kind adoptieren können?«, rate ich.
    Vanessa legt den Kopf auf die Seite, als wäre das das Letzte, woran sie gerade gedacht hat. »Ich habe im Zeugenstand gelogen.«
    »Ich weiß. Ich war dabei. Schon vergessen?«
    »Nicht, was den Selbstmordversuch angeht. Ich meine, da habe ich auch gelogen. Aber ich habe gelogen, was den Grund meines Aufenthalts in der Psychiatrie angeht.« Sie schaut mich an. »Ich habe gesagt, damals sei gerade eine Beziehung in die Brüche gegangen. Das ist jedoch nur die halbe Wahrheit. Es war zwar eine Beziehung, aber eine berufliche.«
    »Ich verstehe nicht …«
    »Ich war Schultherapeutin an einer Privatschule in Maine«, erzählt Vanessa. »Und zufälligerweise war ich dort auch die Hockeytrainerin. Unser Team hatte einen großen Sieg gegen eine andere Schule errungen, und ich habe die Kids als Belohnung zum Abendessen eingeladen. Damals habe ich zur Miete im Haus eines Lehrers gewohnt, der mit seiner Familie ein Sabbatjahr in Italien verbrachte. Ich war so neu in dem Haus, dass ich noch nicht einmal wusste, wo ich Spülmittel oder Klopapier finden konnte. – Wie auch immer … Ein paar Mädchen hat es nach unten verschlagen, und sie haben den Weinkeller entdeckt. Offenbar hat sich eine von ihnen eine Flasche aufgemacht, und eine Teamkameradin hat ein schlechtes Gewissen bekommen und dem Direktor davon erzählt. Obwohl ich ihm gesagt habe, ich hätte keine Ahnung gehabt, was die Mädchen da unten tun – ich wusste ja noch nicht einmal, dass es einen Weinkeller in dem Haus gab, verdammt noch mal –, hat er mich vor die Wahl gestellt: Wenn die Sache an die Öffentlichkeit kommt, würde ich gefeuert, oder ich könnte selbst kündigen, und niemand würde ein Wort darüber
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