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Ein Lied für meine Tochter

Ein Lied für meine Tochter

Titel: Ein Lied für meine Tochter
Autoren: Jodi Picoult
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Baby?«
    »Nein«, antwortete Liddy und schaute in den Himmel hinauf. »Ich habe nachgedacht.«
    »Was gibt es denn da nachzudenken?«, erwiderte ich. »Das sind doch gute Nachrichten.«
    Ein Lächeln huschte über Liddys Gesicht. »Das bedeutet das Wort Evangelium , weißt du? Dass man Jesu gute Botschaft verbreiten soll.«
    »Wenn du mich bitte entschuldigen würdest«, sagte ich und stand auf. »Ich bin jetzt wirklich nicht in der Stimmung für eine Bibelstunde.«
    Sie fuhr fort, als hätte ich nichts gesagt. »Du weißt doch, was das wichtigste Gebot in der Bibel ist, nicht wahr? Liebe deinen Nächsten wie dich selbst. «
    »Schön«, erwiderte ich gereizt. »Gut zu wissen.«
    »Jesus hat keine Ausnahmen gemacht, Max«, fügte Liddy hinzu. »Er hat nicht gesagt, wir sollten achtundneunzig Prozent unserer Nächsten lieben … und diejenigen hassen, die zu laut Musik hören, über unseren Rasen fahren, Ralph Nader wählen oder sich von Kopf bis Fuß tätowieren lassen. Es gibt Tage, da will ich wirklich nicht den Kerl lieben, dessen Hund die Blüten von meinen Lilien gefressen hat, aber Jesus sagt, ich habe keine andere Wahl.«
    Sie streckte die Hand aus, und ich zog sie hoch. »Liebe kennt keine Vorbehalte«, sagte sie. »Darüber habe ich nachgedacht.«
    Ich schaute auf ihre Hände. »Ich weiß nicht, was ich tun soll, Liddy«, gab ich zu.
    »Natürlich weißt du das«, erwiderte sie. »Das Richtige.«
    Ironischerweise müssen wir einen Vertrag unterzeichnen, in dem es heißt, dass die Information, die Clive bekommen hat, weder dem Kläger noch der Kirche offenbart und in Zukunft auch mit niemandem besprochen werden wird. Pastor Clive unterschreibt eine entsprechende Erklärung, die Wade Preston auf einem Blatt Papier formuliert hat. Der Richter überfliegt den Text und verkündet, dass ich fortan das alleinige Verfügungsrecht über die drei eingefrorenen Embryonen habe.
    Inzwischen ist niemand mehr im Zuschauerraum. Sie sind alle draußen und warten auf mein Erscheinen. Sie warten darauf, dass ich sie breit anlächele und Gott für das Urteil danke.
    »Nun denn«, sagt Wade und grinst, »ich denke, mein Job hier ist getan.«
    »Dann gehören sie jetzt also mir?«, frage ich. »Zu einhundert Prozent?«
    »Ja, das tun sie«, bestätigt Wade. »Sie können damit tun und lassen, was Sie wollen.«
    Zoe sitzt noch immer am Tisch der Verteidigung. Sie ist der Mittelpunkt einer Blume, umgeben von ihrer Mutter, ihrer Anwältin und Vanessa. Angela gibt ihr ein Kosmetiktuch. »Wissen Sie, wie viele von Max’ Anwälten man braucht, um eine Wand zu verputzen?«, versucht sie, Zoe aufzuheitern. »Das hängt davon ab, wie hart Sie sie werfen.«
    Ich wünschte, ich hätte das anders machen können, doch ich wusste nicht wie. Wade hätte in jedem Fall noch ein Ass im Ärmel gehabt. Und das hätte ich nicht gewollt. An irgendeinem Punkt ging es nur noch um Politik, Religion und Gesetz. An irgendeinem Punkt ging es nicht mehr um die Menschen. Es ging nicht mehr um Zoe und mich und auch nicht um diese Kinder, die wir einst gemeinsam haben wollten.
    Ich gehe zu meiner geschiedenen Frau. Ihr Gefolge teilt sich, sodass ich plötzlich vor ihr stehe. »Zoe«, beginne ich, »es tut mir leid …«
    Sie schaut mich an. »Danke.«
    »Lass mich ausreden. Es tut mir leid, dass du das alles hast durchmachen müssen.«
    Vanessa rückt näher an Zoe heran.
    »Sie werden ein gutes Leben haben«, erklärt Zoe, doch es klingt wie eine Frage. »Du wirst doch dafür sorgen, nicht wahr?« Jetzt weint sie. Sie zittert am ganzen Leib.
    Ich würde sie ja in die Arme nehmen, doch das ist jetzt das Privileg einer anderen. »Das beste«, verspreche ich ihr und reiche ihr das juristische Dokument, das ich gerade erst von Wade Preston bekommen habe. »Und deshalb gebe ich sie dir.«



Samantha
    Schon mit sechs Jahren weiß Sammy vieles ganz genau.
    Sie weiß, dass ihr Hund Ollie so aussieht, als würde er wirklich mit ihr sprechen, wenn man ihm klebrige Erdnussbutter zum Fressen gibt.
    Sie weiß, dass ihre Stofftiere nachts zum Leben erwachen, denn wie ist es sonst zu erklären, dass sie morgens an einer anderen Stelle liegen als am Abend zuvor.
    Sie weiß, dass Mama Zoes Arme der sicherste Ort der Welt sind.
    Sie weiß, dass sie tatsächlich einmal die Sonne berührt hat, als sie auf Mama Ness’ Schultern geritten ist, und sie weiß mit absoluter Sicherheit, dass sie davon eine Blase am Finger bekommen hat.
    Sie weiß, was sie wirklich hasst, hasst,
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