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Ein Kuss und Schluss

Ein Kuss und Schluss

Titel: Ein Kuss und Schluss
Autoren: Jane Graves
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festen Boden unter den Füßen hatte, rannte sie los.
    »He! Komm sofort zurück!«
    Er setzte ihr nach. Sie war ihm höchstens drei Schritte voraus, und er hatte sie in kürzester Zeit eingeholt. Als sie am Plymouth vorbeikamen, griff er nach ihrem Arm, verfehlte sie aber. Dann warf er sich auf sie und schlang die Arme um ihre Hüften, so dass sie beide auf die Straße stürzten. Renees Knie schrammten über das Pflaster.
    Sie verdrängte den Schmerz, rollte sich herum und versetzte Leandro mit beiden Fäusten einen Schlag gegen den Kopf. Er wich fluchend vor ihr zurück, dann gelang es ihm, ihre Handgelenke unterhalb der Fesseln zu packen. Er zog sie heran, bis sich ihre Nasenspitzen fast berührten. Seine Augen funkelten wütend, und er hatte die Zähne gefletscht. Es fehlte nur noch etwas Schaum in den Mundwinkeln, dann hätte er wie ein tollwütiger Hund ausgesehen.
    Renee lächelte. »Wie möchten Sie Ihren gegrillten Jeep? Gut durch? Oder medium?«
    Er drehte sich um. Rauch quoll aus der Hecktür des Wagens. Entweder hielt er Renee fest, oder er versuchte, das Feuer zu löschen. Beides ging nicht.
    Mit einem gequälten Stöhnen ließ er Renee los und rappelte sich auf. Er richtete seinen Zeigefinger auf sie. »Bleib, wo du bist!«
    Sicher! Klar doch!
    Der alte Mann starrte aus dem Seitenfenster des Plymouth und verfolgte mit heruntergeklapptem Unterkiefer, wie Leandro zum brennenden Wagen zurückhastete und ihm zurief: »Passen Sie auf, dass sie nicht wegläuft!«
    Renee stand auf und schöpfte neue Hoffnung. Wenn Leandro sich dazu herabließ, Senioren zu Hilfssheriffs zu ernennen, deutete das darauf hin, dass er die Situation nicht mehr völlig unter Kontrolle hatte.
    Der Zug war nur noch zwanzig Meter vom Bahnübergang entfernt. Renee zwängte sich zwischen den Schranken hindurch, und mit einem großen Sprung brachte sie sich auf die andere Seite der Gleise. Wenige Sekunden später überquerte der Zug die Straße. Bevor ihr die Sicht versperrt wurde, sah sie noch, wie Leandro sein Hemd auszog, um damit die Flammen zu ersticken. Es war ein wunderbarer Anblick, wie er verzweifelt seinen Wagen zu retten versuchte, aber sie hatte leider keine Zeit, sich ausgiebig daran zu erfreuen.
    Sie zog den Schlüssel aus der Tasche, dirigierte ihn ins Handschellenschloss und hielt den Atem an. Sie drehte ihn vorsichtig herum und hörte ein leises Klicken. Die rechte Handschelle ging auf. Anscheinend hielt ihre Glückssträhne an. Sie schloss auch die linke auf, dann warf sie die Handschellen auf eine Seite der Straße und den Schlüssel auf die andere - so weit sie konnte.
    Wenn der Zug den Übergang passiert hatte, würde Leandro die Verfolgung wieder aufnehmen - entweder mit seinem Wagen, wenn er es schaffte, das Feuer zu löschen, oder zu Fuß, wenn das Fahrzeug nicht mehr zu retten war. Sie musste in jedem Fall berücksichtigen, dass seine Laune inzwischen den absoluten Tiefpunkt erreicht haben dürfte. Wenn er sie erneut schnappte und irgendwann vor der Tür der nächsten Polizeiwache ablud, musste man möglicherweise auf zahnärztliche Unterlagen zurückgreifen, um ihre Leiche identifizieren zu können.
    Ihr erster Gedanke war, auf den Zug zu springen und sich auf diese Weise in Sicherheit bringen zu lassen. Er bewegte sich zwar verhältnismäßig langsam vorwärts, aber für einen derartigen Kraftakt war er immer noch viel zu schnell. Falls Leandro dachte, sie hätte sich für diesen Ausweg entschieden, gewann sie vielleicht einen kleinen Vorsprung.
    Sie drehte sich um und lief in Richtung Restaurant, während sie betete, dass sich ihr bald eine neue Fluchtmöglichkeit bot - sehr bald. Sie war zu allem bereit, sie wollte nur nicht nach Tolosa zurück.
    John DeMarco saß am Tresen des Red Oak Diner, drei Meilen vor Winslow, Texas. Vor ihm lag die Titelseite der Winslow Gazette, und in einer Hand hielt er eine Tasse mit dampfendem Kaffee. Er nahm einen Schluck von dem starken Gebräu und zuckte zusammen. Er fragte sich, wie viel er noch von diesem Zeug trinken konnte, bevor er an Koffeinvergiftung zugrunde ging.
    Er sah aus dem Fenster. Es wurde allmählich dunkler, und die blassen Schatten des abendlichen Zwielichts verbreiteten sich über die Landschaft. Aus der Küche drang ein leises Brutzeln, das sich wie Regen auf einem Blechdach anhörte. Das Geräusch mischte sich mit dem gedämpften Gespräch zwischen einem schlaksigen Jungen und seiner verhuschten Freundin, die sich in einer Sitznische am Fenster eine Portion
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