Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Kuss und Schluss

Ein Kuss und Schluss

Titel: Ein Kuss und Schluss
Autoren: Jane Graves
Vom Netzwerk:
Pommes frites teilten.
    Hier sah es genauso wie in tausend anderen Mehrzweckraststätten in der amerikanischen Provinz aus. Neben dem Restaurant gab es einen kleinen angeschlossenen Laden mit verschiedenen Supermarktartikeln, Action- und Abenteuervideos zum Ausleihen und ein Regal mit Zeitschriften, die sich auf vier Themenbereiche konzentrierten: Jagen, Angeln, Autos und Sex. Sie waren exakt auf die Zielgruppe der harten Kerle, Kautabakkonsumenten und Waffenbesitzer zugeschnitten, die die einheimische Bevölkerung bildeten wobei ungeprüft davon ausgegangen wurde, dass sie tatsächlich lesen konnten. Marva Benton servierte texanische Hausmannskost, die einem garantiert die Arterien verstopfte, während ihr Ehemann Harley an der Kasse saß und den Kontakt zur Bevölkerung pflegte. Im Red Oak bekam man alles, was man brauchte, um sich am Leben zu erhalten, vorausgesetzt, man schraubte seine Ansprüche nicht zu hoch.
    In der vergangenen Woche hatte John den kühnen Versuch unternommen, seinen Job zu vergessen, auszuschlafen und sich möglichst schlampig zu kleiden, während er am See hockte, mit einer Angel in der einen und einer Dose Bier in der anderen Hand.
    Das war leichter gesagt als getan.
    Heute war schon der dritte Abend in Folge, an dem er zum Essen ins Diner kam. Er musste zwölf Meilen fahren, aber das war immer noch besser als selber zu kochen, vor allem, weil es in der Hütte, die er bewohnte, nicht einmal eine Mikrowelle gab. Ganz zu schweigen von einem Herd. Oder einem Fernseher. Oder einem Telefon. Eine Warmhalteplatte, ein Schlafsofa, eine Innentoilette - das war auch schon fast alles. Die Langeweile hatte etwa fünfzehn Minuten nach seiner Ankunft eingesetzt. Also konnte er sich glücklich schätzen, dass er dieses Restaurant entdeckt hatte.
    Gönnen Sie sich eine Woche in meiner Hütte , hatte Lieutenant Daniels zu ihm gesagt. Tun Sie einfach mal nichts. Sitzen Sie nur da. Denken Sie nach. Vergessen Sie den Stress.
    Was Daniels in Wirklichkeit hatte sagen wollen, war: Sehen Sie zu, dass Sie sich selbst wieder in den Griff bekommen, und kehren Sie erst zurück, wenn Sie es geschafft haben.
    Harley tippte ein Exemplar des Magazins Hot Rod und vierzig Liter Benzin ein, für einen Cowboytypen Mitte zwanzig in hautengen Levis und kariertem Holzfällerhemd. Der Kerl schlenderte wieder nach draußen und feuerte unter der Hutkrempe einen Blick auf John ab, der besagte: Ich sehe, dass du nicht von hier bist, also pass bloß auf!
    Harley schloss die Registrierkasse und sah John mit einem kumpelhaften Grinsen an. In seinem Mund wechselten sich braune Zähne, Goldzähne und fehlende Zähne ab. »Na, wie steht‘s, John? Wie läuft der Urlaub?«
    John wurde bereits vom Personal des Red Oak geduzt, eine Vertraulichkeit, die im ländlichen Texas völlig normal zu sein schien. In Tolosa kannte er nicht einmal die Namen der Leute, die seine direkten Nachbarn waren.
    »Langsam«, sagte John.
    »Langsam ist doch gut, wenn du dich entspannen willst, oder? Sich ein bisschen von der großen Stadt erholen.«
    Der großen Stadt ? Darüber musste John lächeln. Tolosa war alles andere als eine bedeutende Metropole. Aber aus Harleys Perspektive musste das bessere Dorf mit den vier Kinos, zwei Einkaufszentren und neunzigtausend Einwohnern gigantisch wie Tokio erscheinen.
    »Und was machst du so, wenn du nicht im Urlaub bist, John?«
    Er seufzte. Manchmal verhielten sich die Leute ziemlich seltsam, wenn sie wussten, dass sie es mit einem Polizisten zu tun hatten. »Ganz unter uns beiden, Harley - ich möchte lieber nicht über meinen Beruf reden.«
    »Was ist so schlimm daran? Schlechte Bezahlung? Überstunden? Zu wenig Respekt?«
    Harley hatte soeben das Leben eines Polizisten mit völlig zutreffenden Worten beschrieben. »Von allem etwas.«
    Auch wenn sich John über diese Dinge ärgerte, hatten sie im Grunde gar nichts mit seinen gegenwärtigen Problemen zu tun. Kein halbwegs vernünftiger Mensch wurde Polizist und erwartete, dass er reich wurde, nur wenige Stunden arbeiten musste und ständig von allen gelobt wurde. Nein, darauf war John vorbereitet gewesen. Womit er nicht gerechnet hatte, war die himmelschreiende Ungerechtigkeit einer Einrichtung, die angeblich für Recht und Ordnung sorgte.
    Nachdem er einen Monat lang ermittelt hatte, war John endlich ein mieser kleiner Mistkerl in die Falle gegangen, der ältere Mitbürger in den Korridoren vor ihren Apartmentwohnungen zusammengeschlagen und ausgeraubt hatte. Nur eins
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher