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Ein Kuss und Schluss

Ein Kuss und Schluss

Titel: Ein Kuss und Schluss
Autoren: Jane Graves
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hatte zwischen den Zeilen gelesen. Er hatte keineswegs die freie Wahl, ob er dieses Angebot annehmen wollte oder nicht.
    Widerstrebend hatte er die Schlüssel an sich genommen und den Raum verlassen, aber Daniels war noch nicht mit ihm fertig gewesen. Er hatte - natürlich völlig beiläufig erwähnt, dass er vor kurzem seine jährliche Spende an die Joseph DeMarco Foundation überwiesen hatte, um die Stiftung zu unterstützen, die den Familien von Polizisten half, die während des Dienstes zu Tode gekommen waren. Für John war diese Bemerkung im denkbar ungünstigsten Augenblick gekommen.
    Vor acht Jahren hatte sich Johns Vater während einer routinemäßigen Verkehrskontrolle eine tödliche Kugel eingefangen. Also war es kein Zufall, dass Daniels ausgerechnet in diesem Moment auf die Stiftung zu sprechen kam, die ihm zu Ehren gegründet worden war. Damit wollte er John auf unsubtile Weise sagen: Was würde Ihr Vater von Ihnen halten, wenn er sehen könnte, wie Sie sich derzeit benehmen?
    Für Joe DeMarco wäre es nur der jüngste von zahlreichen Fällen gewesen, bei denen sein Sohn es an Urteilsvermögen vermissen ließ. Wenn der vorbildlichste Cop, der je für das Police Department von Tolosa gearbeitet hatte, noch leben würde, hätte er eine Menge dazu gesagt. Und er hätte es wesentlich drastischer als Daniels formuliert.
    Jetzt war John gezwungen, eine Woche lang in einer Hütte auf dem Land dahinzuvegetieren, und man erwartete von ihm, dass er in sich ging und zu einer Erkenntnis gelangte, wie er seine Wutausbrüche nachhaltig unter Kontrolle bekam. Auch wenn er es nur äußerst ungern zugab, war ihm klar, dass Daniels Recht hatte. Und sein Vater hätte ebenfalls Recht gehabt, wenn er in der Lage gewesen wäre, über dieses Thema zu dozieren. John wusste, dass er zu weit gegangen war. Verbrecher aufspüren, verhaften, weitermachen - das war seine Aufgabe. Andere Polizisten hatten keine Schwierigkeiten, diese überaus wichtige professionelle Distanz zu wahren. Warum konnte er es nicht?
    Er trank den Rest seines Kaffees aus, bevor er zu einem dunklen Klumpen aus reinem Koffein gerinnen und aus der Tasse kriechen konnte. Harley schenkte nach und sah auf seine Uhr. Er drehte kaum den Kopf, als er nach hinten rief: »He, Marva! John wartet schon seit zwanzig Minuten! Sieh zu, dass du endlich mit dem Steak fertig wirst!«
    Eine raue weibliche Stimme, die nach mindestens zwei Schachteln pro Tag klang, hallte laut aus der Küche: »Willst du es schnell oder willst du es gut?«
    »Ich will es heute!«, knurrte Harley.
    »Halt die Klappe, alter Sack! Du kriegst es, wenn ich es dir bringe!«
    Harley verdrehte leicht die Augen, dann beugte er sich über den Tresen und setzte die Miene eines leidenden Märtyrers auf. »Dreiunddreißig Jahre habe ich dieses Weib ertragen. Kannst du dir das vorstellen?«
    John kaufte ihm die Mitleidsnummer nicht ab. Er merkte sofort, wenn ihm etwas vorgespielt wurde, und dieses Pärchen hatte es darin zur Meisterschaft gebracht. Wenn sie schlau waren, nahmen sie demnächst Eintritt für ihr Unterhaltungsprogramm. Als John jünger und noch erheblich naiver gewesen war, hatte er gedacht, dass er eines Tages eine Frau finden würde, mit der er sich bis zur Goldenen Hochzeit streiten konnte. Aber je älter er wurde, desto unwahrscheinlicher kam ihm diese Vorstellung vor.
    Die Küchentür schwang auf, und Marva erschien. Sie war eine gewaltige Frau, groß wie ein Pferd, trug eine rote Polyester-Hose und ein Hawaii-Hemd. Ihr eisengraues Haar wurde von einem schweißgetränkten Tuch zusammengehalten. Den Teller, den sie in der Hand hielt, warf sie vor John auf den Tresen. Das gegrillte Hühnchensteak verrutschte leicht und ließ Soße über den Tellerrand schwappen. Es roch himmlisch.
    »Bitte, Schätzchen«, sagte sie mit einem Lächeln vollendeter Gastfreundlichkeit. »Mein schwachsinniger Ehemann begreift einfach nicht, dass gute Dinge ihre Zeit benötigen.« Sie warf Harley einen angewiderten Blick zu. Wie auf ein Stichwort verzog dieser ebenfalls das Gesicht.
    Marva wandte sich wieder John zu. »Dreiunddreißig Jahre habe ich diesen Kerl ertragen. Kannst du dir das vorstellen?«
    Mit einem erschöpften Kopfschütteln stapfte sie in die Küche zurück. Harley warf ihr einen flüchtigen Blick hinterher, dann griff er unter den Tresen. »He, Kumpel. Schau dir mal das an!«
    Er holte ein Playboy- Heft hervor und schlug es auf. Der Centerfold zeigte eine gesunde Brünette in all ihrer nackten
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