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Ein Kuss und Schluss

Ein Kuss und Schluss

Titel: Ein Kuss und Schluss
Autoren: Jane Graves
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rieselten wie Sand durch ihre Finger.
    Am Tag des Raubüberfalls hatte man ihr den Posten der Oberkellnerin im Renaissance angeboten, einem italienischen Sterne-Restaurant mit zahlungskräftiger Kundschaft und einem erstklassigen Weinkeller. Im Taumel der Begeisterung hatte sie ihre beste Freundin Paula Merani angerufen, um mit ihr zu feiern - und sich dann erinnert, dass Paula mit ihrem nichtsnutzigen Freund Tom Garroway eine Wochenendreise in einem Hotel in der Nähe gebucht hatte. Also ließ sich Renee ein Abendessen vom China Garden kommen, zappte durch die Fernsehkanäle und dachte an all die Dinge, die sie als Oberkellnerin tun wollte, damit das Renaissance den begehrten letzten Stern erhielt.
    Dann beschloss sie, dass die Beförderung sie zu einer ausufernden Orgie berechtigte, und zwar mit einem Riesenbecher Cherry Garcia von Ben Jerry‘s. Also schnappte sie sich ihre Geldbörse und machte sich auf den Weg zum Kroger-Einkaufszentrum, das rund um die Uhr geöffnet hatte. Ein Polizist winkte sie an den Straßenrand, weil ihr Rücklicht defekt war, dann sah sie fassungslos zu, wie er zwölfhundert Dollar und eine halbautomatische Pistole an sich nahm, die auf ihrem Rücksitz lagen. Zu ihrem maßlosen Erstaunen und Entsetzen stellte sich heraus, dass diese Dinge aus einem Überfall auf einen kleinen Supermarkt stammten, der sich wenige Stunden zuvor in der Nähe ereignet hatte. Sie hatte nicht den leisesten Schimmer, wie die Sachen in ihren Wagen gekommen waren. Der Polizist hatte sich nicht durch ihre Unschuldsbeteuerungen erweichen lassen, und bevor sie wusste, wie ihr geschah, war sie im Gefängnis gelandet.
    Sie ließ den besten Anwalt kommen, den sie sich mit ihren Ersparnissen leisten konnte, einen totalen Versager mit einer Krawatte, die breiter als sein Brustkorb war, und einem Fetzen Toilettenpapier am Hals, wo er sich beim Rasieren geschnitten hatte. Er gab ihr zu verstehen, dass er sie verteidigen musste, obwohl »wir beide wissen, dass Sie schuldig sind«, worauf Renee sich selbst in einer plötzlichen Rückblende sah, wie sie an einer langen Reihe von Gefängniszellen vorbeilief, deren Insassen höhnisch johlten. Ihr damaliger, acht Stunden währender Abstieg in die Hölle war zu einem großen Teil dafür verantwortlich, dass sie sich eine geordnete Existenz aufgebaut hatte, und diese Erfahrung war ironischerweise auch der Grund, warum sie jetzt auf der Flucht war. Bedauerlicherweise war sie von einem großen, bösen Kopfgeldjäger mit einem Herzen im Ausmaß einer Erbse aufgespürt worden, so dass ihr Weg sie nun wieder ins Gefängnis führte.
    Renee sah sich im Jeep um. Mit diesem Fahrzeug ins Gefängnis gebracht zu werden war so, als raste man in einem New Yorker U-Bahn-Waggon in die Hölle. Zahlreiche Zigarettenkippen hatten sich auf dem Boden vor dem Vordersitz angesammelt, desgleichen mehrere Milky-Way-Verpackungen und eine Ausgabe der Zeitschrift Muscle. Auf der Rückbank lagen vollgestopfte Aktenordner und dazwischen zusammengeknüllte Tüten mit den Resten von Fastfood-Mahlzeiten. Hier roch es wie auf einer Müllkippe.
    »Dieses Auto ist ein Schweinestall«, murmelte Renee. Sie hasste Leandros Jeep, sie hasste seine Musik, und sie hasste seinen Beruf. Sie hasste ihn.
    Leandro nahm einen tiefen Zug von seiner Zigarette und stieß langsam den Rauch aus, wodurch er die karzinogene Wolke im Innenraum des Wagens mit weiteren Schadstoffen anreicherte. »Meine Putzfrau hatte diese Woche keine Zeit. Man kriegt heutzutage einfach keine guten Leute mehr.«
    »Der Rauch brennt mir in den Augen. Überlegen Sie mal, was das Zeug in Ihrer Lunge anrichtet!«
    »Ich denke, es macht sie schwarz wie ein Pik As.«
    »Haben Sie schon mal daran gedacht, diese unangenehme Angewohnheit aufzugeben?«
    »Warum sollte ich auf so eine seltsame Idee kommen?«
    »Würde es Ihnen etwas ausmachen, die Zigarette auszumachen?«
    »Ja, es würde mir sehr viel ausmachen.«
    Renee wusste, dass dieses Gespräch sinnlos war, aber sie war wütend, sie hatte Angst, und sie konnte einfach nicht aufhören. »Passivrauchen kann genauso tödlich sein, wissen Sie. Erst letzte Woche haben sie in 20/20 etwas darüber gebracht.«
    »Na so was! Das habe ich glatt verpasst.«
    »Es ist tatsächlich vorgekommen, dass Raucher sich vor Gericht verantworten mussten, weil sie anderen Leuten die Luft verpestet haben.«
    »Dann zeig mich doch an.«
    »Wissen Sie, das ist gar keine schlechte Idee. Ich wette, es gibt mindestens ein Dutzend
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