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Ein Kuss fur die Unsterblichkeit

Ein Kuss fur die Unsterblichkeit

Titel: Ein Kuss fur die Unsterblichkeit
Autoren: Beth Fantaskey
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auch nur den geringsten
Zweifel gehabt hätte, hätte ich das Urteil nicht vollstrecken können. Meine Hand
hätte gezögert und der Gefangene hätte nur noch mehr leiden müssen. Ich will
gerecht sein, nicht grausam.« Sein Blick wurde noch finsterer. »Und wenn die
Ältesten ein Zögern meinerseits gespürt hätten, hätte ich damit auch mir
selbst – und uns – geschadet, denn sie hätten es als Schwäche
interpretiert.«
    »Also hast
du ihn ...?« Ich konnte es nicht aussprechen.
    Doch Lucius
konnte es. »Ja, Antanasia, ich habe ihn vernichtet. Das Gesetz ist eindeutig.
Vernichtung wird mit Vernichtung bestraft. Und die Vernichtung eines Ältesten
wird durch niemand anderen als durch das ranghöchste Mitglied der Clans
vollzogen.« Sein Ausdruck verhärtete sich fast unmerklich. »Und außerdem bin
ich nun mal von allen am besten geeignet, so schmerzlos wie möglich zu vernichten,
weil ich schon als Kind darauf gedrillt worden bin, den Pflock äußerst wirksam
einzusetzen. Eine Hinrichtung ist nichts, was man wie die Wäsche einem Bediensteten
überlassen kann.«
    »Es tut mir
so leid ...« Für den armen, ermordeten Constantin Dragomir und meine
verwaiste Cousine Ylenia und auch für den Angeklagten. Und für Lucius, den ich
im Stich gelassen habe ...
    »Es tut mir
auch leid, Jessica.« Dass er meinen alten Namen benutzte, verriet mir, dass
auch er gerade zu kämpfen hatte. In Pennsylvania hatte er mich auf keinen Fall
»Jessica« nennen wollen, sondern darauf bestanden, dass ich »Antanasia« hieß.
Aber in letzter Zeit nannte er mich immer öfter Jess, wenn wir allein waren.
Ich hatte das Gefühl, dass er meinen Spitznamen besonders dann benutzte, wenn
er sich danach sehnte, wieder ein ganz gewöhnlicher amerikanischer Teenager zu
sein, so wie ich es die meiste Zeit tat. Oft wünschte ich mir, wir könnten
immer noch bei meinen Adoptiveltern in dem Apartment über der Garage wohnen,
verheiratet, aber trotzdem irgendwie noch Kinder. Dabei hätte ich Mom und Dad
jetzt noch nicht mal anrufen können, denn sie waren gerade auf einer Forschungsreise
in einem abgeschiedenen Teil Südamerikas.
    Der
Hauptgrund für diese Reise war, dass sie die »Leere« im Haus nicht ertragen
konnten, seit ich fort war. Was ich auch gut verstehen konnte, aber ich hätte
trotzdem gerne mit ihnen geredet – auch wenn ich ganz genau wusste, was meine
Mutter, die Kulturanthropologin, über die Gerichtsverhandlung sagen würde. »Du
wirst dich an die Gebräuche deiner neuen Kultur gewöhnen müssen. Lucius hat
dich gewarnt ... «
    Und auch
meine leibliche Mutter hatte mir in ihrem Tagebuch etwas Ähnliches
angekündigt: »Als Prinzessin wird es deine Aufgabe sein, der Vernichtung
anderer beizuwohnen.«
    »Ich hasse
Rechtsstaatlichkeit«, brummte ich.
    Zum ersten
Mal an diesem Tag lächelte Lucius. »Aber Prinzessin! Sind wir nicht darin
übereingekommen, dass unser Königreich gerade Rechtsstaatlichkeit dringend
braucht?«
    »Ja, aber –«
    »Kein
Aber!« Er wurde wieder ernst. »Unsere Clans haben unsere eigenen Gesetze viel
zu lange ignoriert. Noch in den letzten zehn Jahren waren sogenannte Lynchmobs
unter Vampiren häufiger als Gerichtsprozesse. Außerdem schützen die Gesetze
die Herrschenden.« Das Lächeln kehrte auf sein Gesicht zurück. »Ich habe in den
USA viel gelernt, was Verfassung
und geregelte Führungsnachfolge angeht. Und die ewigen Genehmigungen und
Vorschriften haben doch auch ihr Gutes.«
    »Du hast ja
recht«, sagte ich, »Gesetze sind wichtig. Aber ich konnte heute einfach nicht
dabei sein und sie vollstrecken.«
    »Was man ja
auch durchaus verstehen kann«, antwortete er. »Schließlich bist du umgeben von
Katzenbabys bei Veganern aufgewachsen.« Und dann machte er mir ein seltenes
Geständnis. »Es war sogar für mich schwer, obwohl ich von Killern großgezogen
wurde und tagtäglich von Gewalt umgeben war.«
    »Aber du
hast es getan.«
    »Ja und ich
werde es wieder tun. Und auch du wirst lernen, an meiner Seite zu stehen, und
du wirst dich an diese Kultur gewöhnen, genauso wie ich es geschafft habe, mich
an deine Kultur zu gewöhnen.«
    Meine
Stimme war nur noch ein Flüstern: »Und was, wenn ich es nicht kann?«
    Lucius
grinste. »Das Gleiche habe ich mich immer gefragt, wenn deine Mutter ihren
Linsenauflauf aufgetischt hat. ›Was, wenn ich das heute einfach nicht
runterkriege?‹ Aber ich habe es geschafft, Jessica.«
    Ich sah ihn
entgeistert an. »Du kannst den heutigen Prozess doch nicht mit einem
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