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Ein Gesicht so schön und kalt

Ein Gesicht so schön und kalt

Titel: Ein Gesicht so schön und kalt
Autoren: Mary Higgins Clark
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und sie war froh darüber - sie mochte es
ausgesprochen gern. Es war ein fünfzig Jahre altes geräumiges
Gebäude im Stil von Cape Cod mit Flügelfenstern am Giebel
und auf einem Grundstück von zwei Morgen gelegen, das dicht
von Bäumen bestanden war. Die einzige Zeit, wo ihr das Haus
nicht gefiel, war, wenn die Blätter zu fallen begangen, tonnen
weise. Das war bald wieder fällig, dachte sie mit einem Seufzer.
    Morgen würde sie den Angeklagten in einem Mordfall, für
den sie zuständig war, ins Kreuzverhör nehmen. Er war ein
guter Schauspieler. Im Zeugenstand war seine Version der
Ereignisse, die zum Tod seiner Vorgesetzten geführt hatten,
vollkommen plausibel erschienen. Er behauptete, seine Chefin
habe ihn ständig heruntergemacht, und zwar so schlimm, daß er
eines Tages durchgedreht sei und sie getötet habe. Sein Anwalt
wollte auf Totschlag plädieren.
    Kerrys Aufgabe war es, die Geschichte des Angeklagten
auseinanderzunehmen und zu beweisen, daß es hier um einen
sorgfältig geplanten und durchgeführten Racheakt gegen seine
Chefin ging, die ihn aus guten Gründen nicht befördert hatte. Es
hatte sie das Leben gekostet. Jetzt muß er dafür bezahlen, dachte
Kerry.
Es war ein Uhr, als sie sich endlich mit der Vorbereitung aller
Fragen, die sie stellen, aller Punkte, die sie vorbringen wollte,
zufriedengab.
    Erschöpft stieg sie die Treppe nach oben. Sie warf einen Blick
zu der friedlich schlafenden Robin hinein, deckte sie besser zu
und ging dann über den Flur in ihr eigenes Zimmer.
    Fünf Minuten später, nachdem sie sich das Gesicht
gewaschen, die Zähne geputzt und ihr Lieblingsnachthemd
übergezogen hatte, kuschelte sie sich in ihr relativ schmales
Messingbett, das sie nach der Trennung von Bob bei einem
Ausverkauf erstanden hatte. Sie hatte sämtliche Möbel im
großen Schlafzimmer ausgetauscht. Es war ihr unmöglich
gewesen, mit den alten Sachen weiterzuleben, seine Kommode,
seinen Nachttisch sehen zu müssen oder das leere Kissen auf
seiner Seite des Bettes.
    Der Vorhang war nur teilweise zugezogen, und im schwachen
Licht der Laterne draußen an der Einfahrt konnte sie sehen, daß
ein stetiger Regen eingesetzt hatte.
    Nun, das herrliche Wetter konnte ja nicht ewig anhalten,
dachte sie und war dankbar, daß es wenigstens nicht so kalt wie
vorhergesagt war und der Regen nicht in Graupelschauer
übergehen würde. Sie schloß die Augen und konzentrierte sich
darauf, ihre aufgestörten Gedanken zur Ruhe zu bringen,
verwundert darüber, warum sie sich so unbehaglich fühlte.
    Um fünf wurde sie wach, vermochte bis sechs noch einmal
einzudösen. In dieser Stunde wurde sie zum erstenmal von dem
Traum heimgesucht.
    Sie sah sich selbst im Wartezimmer einer Arztpraxis. Eine
Frau lag dort auf dem Boden und starrte mit aufgerissenen
leeren Augen ins Nichts. Eine Fülle dunklen Haares umrahmte
die herausfordernde Schönheit ihres Gesichts. Eine geknüpfte
Kordel war um ihren Hals geschlungen.
    Und dann, vor Kerrys Augen, stand die Frau auf, entfernte
den Strick von ihrem Hals und ging zur Sprechstundenhilfe
hinüber, um einen Termin auszumachen.
    Im Verlauf des Abends dachte Robert Kinellen kurz daran,
anzurufen und sich danach zu erkundigen, wie es Robin beim
Arzt ergangen war, aber der Gedanke verschwand wieder, wie er
gekommen war, ohne in die Tat umgesetzt zu werden. Anthony
Bartlett, Bobs Schwiegervater und Seniorpartner in der Kanzlei,
hatte sich zu einem ungewöhnlichen Besuch bei den Kinellens
nach dem Abendessen entschlossen, um die Strategie für das
bevorstehende Strafverfahren gegen James Forrest Weeks
wegen Steuerhinterziehung durchzusprechen, den wichtigsten
und am meisten umstrittenen - Klienten der Sozietät.
    Weeks, millionenschwerer Immobilienmakler und
Großunternehmer, war in den vergangenen drei Jahrzehnten zu
einiger Prominenz in New York und New Jersey gelangt. Er war
nicht nur ein wichtiger Sponsor politischer Kampagnen und
bedeutender Spender für Wohltätigkeitszwecke, sondern auch
ständig Anlaß für Gerüchte über Insider-Deals und Kungeleien,
und ihm haftete der Ruf an, Beziehungen zu notorischen Figuren
des organisierten Verbrechens zu pflegen.
    Die Bundesstaatsanwaltschaft versuchte schon seit Jahren,
Weeks etwas nachzuweisen, und Bartlett und Kinellen war die
finanziell lukrative Aufgabe zugekommen, ihn bei diesen
Ermittlungen zu vertreten. Bis jetzt hatten die Bundesbeamten es
nie geschafft, handfeste Beweise
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