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Ein Gesicht so schön und kalt

Ein Gesicht so schön und kalt

Titel: Ein Gesicht so schön und kalt
Autoren: Mary Higgins Clark
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Fenster, die für Zufuhr
von Licht und frischer Luft sorgten. Sie hatte dem Zimmer eine
persönliche Note verliehen, mit üppigen Pflanzen, welche die
Fenstersimse säumten, und mit gerahmten Fotos, die Robin
gemacht hatte. Der Gesamteindruck war praktisch und
wohnlich, und Kerry war vollauf zufrieden, diesen Raum als
Büro zu haben.
    Der Morgen hatte den ersten Frost dieses Herbstes mit sich
gebracht, weshalb Kerry noch schnell nach ihrem wetterfesten
Mantel gegriffen hatte, als sie von zu Hause wegging. Jetzt
hängte sie den Mantel sorgfältig auf. Sie hatte den echten
Burberry zu einem günstigen Preis erstanden und wollte, daß er
noch lange hielt.
    Sie befreite sich von den letzten Resten des beunruhigenden
Traums der letzten Nacht, als sie sich an ihren Schreibtisch
setzte. Jetzt mußte sie sich um das Verfahren kümmern, das in
einer Stunde beginnen würde.
    Das Mordopfer, die Frau in der leitenden Position, hatte zwei
Söhne im Teenager-Alter, die sie allein großgezogen hatte. Wer
würde sich jetzt um sie kümmern? Was wäre, wenn mir etwas
zustoßen würde? dachte Kerry. Wohin würde Robin dann
gehen? Bestimmt nicht zu ihrem Vater; in seinem neuen
Haushalt würde sie sich weder wohl fühlen noch willkommen
sein. Aber Kerry konnte sich auch nicht vorstellen, wie ihre
Mutter und ihr Stiefvater, die beide über siebzig waren und in
Colorado lebten, eine Zehnjährige aufziehen sollten. Hoffentlich
bin ich wenigstens so lange unter den Lebenden, bis Robin
erwachsen ist, dachte sie, während sie ihre Aufmerksamkeit auf
die Akte richtete, die vor ihr lag.
    Um zehn vor neun klingelte das Telefon. Frank Green, der
Oberstaatsanwalt, war am Apparat. »Kerry, ich weiß, daß Sie
auf dem Sprung zum Gericht sind, aber kommen Sie doch eine
Minute bei mir vorbei.«
    »Ja, natürlich.« Und es darf wirklich bloß eine Minute dauern,
dachte sie. Frank weiß, daß Richter Kafka einen Anfall
bekommt, wenn man ihn warten läßt.
    Sie fand Staatsanwalt Frank Green hinter seinem Schreibtisch
vor. Mit seinem zerfurchten Gesicht und den pfiffigen Augen
hatte er mit zweiundfünfzig Jahren noch immer den gestählten
Körper, der ihn auf dem College zu einem Footballstar gemacht
hatte. Er lächelte warm, aber irgendwie verändert, dachte sie.
Hatte er sich vielleicht seine Zähne machen lassen? Falls ja, so
ist er schlau. Sie sehen gut aus, und sie werden sic h auch gut auf
Fotos machen, wenn er im Juni nominiert wird.
    Es bestand kein Zweifel, daß Green sich bereits auf den
Wahlkampf um den Gouverneursposten vorbereitete. Das
Interesse der Medien für seinen Amtssitz machte sich immer
mehr bemerkbar, und welche Sorgfalt er neuerdings seiner
Garderobe widmete, blieb niemandem verborgen. In einem
Leitartikel hatte es geheißen, da der gegenwärtige Gouverneur
seit zwei Amtsperioden so guten Dienst tue und Green
persönlich zum Nachfolger auserkoren habe, sei die
Wahrscheinlichkeit ausgesprochen groß, daß man ihm die
Führung des Staates anvertrauen werde.
    Nach Erscheinen des Leitartikels bürgerte es sich ein, daß
Green von seinen Mitarbeitern »Unser Anführer« genannt
wurde.
    Kerry bewunderte sein juristisches Können und seine
Effizienz. Er hatte die Zügel fest in der Hand. Ihr Vorbehalt ihm
gegenüber beruhte darauf, daß er mehrmals in den vergangenen
zehn Jahren einen der jüngeren Anwälte, dem ein Lapsus
unterlaufen war, im Regen hatte stehenlassen. In erster Linie
war Green sich selbst gegenüber loyal.
    Sie wußte, daß ihre Nominierung für ein Richteramt ihren
Rang in seinen Augen gesteigert hatte. »Sieht ganz danach aus,
daß wir beide noch zu Höherem bestimmt sind«, hatte er in
einem seltenen Ausbruch von Enthusiasmus und Leutseligkeit
ihr gegenüber erklärt.
    Jetzt sagte er: »Kommen Sie herein, Kerry. Ich wollte nur von
Ihnen selbst hören, wie es Robin geht. Als ich erfuhr, daß Sie
gestern den Richter um eine Vertagung des Verfahrens gebeten
haben, machte ich mir Sorgen.«
    Sie informierte ihn kurz über das Untersuchungsergebnis und
versicherte ihm, alles sei unter Kontrolle.
»Robin war doch mit ihrem Vater zusammen, als der Unfall
passierte, stimmt’s?«
»Ja, Bob war am Steuer.«
»Ihr Exmann hat womöglich eine Pechsträhne. Ich glaube
nicht, daß er Weeks diesmal freibekommt. Es heißt, daß sie ihn
festnageln werden, und ich hoffe, das tun sie auch. Er ist ein
Gauner, und vielleicht noch was Schlimmeres.« Er machte eine
wegwerfende
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