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Ein Gesicht so schön und kalt

Ein Gesicht so schön und kalt

Titel: Ein Gesicht so schön und kalt
Autoren: Mary Higgins Clark
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aufzutreiben, die zum
Anklagebeschluß ausgereicht hätten.
    »Diesmal geht es Jimmy womöglich ernsthaft an den
Kragen«, rief Anthony Bartlett seinem Schwiegersohn ins
Gedächtnis, als sie sich im Arbeitszimmer im Haus der
Kinellens in Englewood Cliffs gegenübersaßen. Er trank einen
Schluck von seinem Brandy. »Was natürlich bedeutet, daß es
auch uns an den Kragen gehen kann.«
    In den zehn Jahren, seit Bob zu der Kanzlei gehörte, hatte er
miterlebt, wie sie sich beinahe in eine Tochterfirma von Weeks
Enterprises verwandelt hatte, so eng waren sie miteinander
verknüpft. Genaugenommen würden ihnen ohne Jimmys
riesiges Wirtschaftsimperium nur noch eine Handvoll
unbedeutender Klienten bleiben und Erträge, die nicht mehr
ausreichen würden, ihre Kanzlei über Wasser zu halten. Sie
waren sich beide klar darüber, daß Bartlett und Kinellen als
lebensfähiges Unternehmen im Falle der Verurteilung von
Jimmy erledigt sein würde.
    »Barney ist es, um den ich mir Sorgen mache«, sagte Bob
ruhig. Barney Haskell war Jimmy Weeks’ Chefbuchhalter und
Mitangeklagter in dem laufenden Verfahren. Sie wußten beide,
daß enormer Druck auf ihn ausgeübt wurde, sich als Kronzeuge
im Austausch für eine Strafminderung zur Verfügung zu stellen.
    Anthony Bartlett nickte. »Ganz deiner Meinung.«
»Und aus mehr als einem Grund«, fuhr Bob fort. »Ich hab’ dir
doch von dem Unfall in New York erzählt? Und daß Robin von
einem Gesichtschirurgen behandelt wurde?«
»Ja. Wie geht’s ihr denn?«
»Sie wird Gott sei Dank wieder ganz okay sein. Aber ich hab’
dir noch nicht gesagt, wie der Arzt heißt. Charles Smith ist sein
Name.«
»Charles Smith.« Anthony Bartlett runzelte die Stirn, während
er über den Namen nachdachte. Dann gingen seine Augenbrauen
in die Höhe, und er setzte sich kerzengerade auf. »Doch nicht
etwa der, der…?«
»Genau«, antwortete Bob. »Und meine Exfrau, die für die
Staatsanwaltschaft arbeitet, sucht regelmäßig mit unsrer Tochter
seine Praxis auf. So wie ich Kerry kenne, ist es nur eine Frage
der Zeit, bis sie den Zusammenhang herstellt.«
»O mein Gott«, sagte Bartlett niedergeschlagen.

Donnerstag, 12. Oktober

8
    Die Staatsanwaltschaft von Bergen County hatte ihre
Amtsräume im ersten Stock des Westflügels des
Gerichtsgebäudes. Sie umfaßte fünfunddreißig Staatsanwälte,
siebzig Ermittlungsbeamte und fünfundzwanzig Sachbearbeiter
beziehungsweise Sekretärinnen, dazu Franklin Green, den Chef
der Behörde.
    Trotz der nie nachlassenden Flut an Arbeit und der ernsten,
häufig makabren Natur der Materie herrschte ein kumpelhafter
Umgangston im Amt. Kerry arbeitete ausgesprochen gerne hier.
Sie erhielt immer wieder verheißungsvolle Angebote von
Anwaltskanzleien, bei ihnen eine Stelle anzutreten, doch trotz
der finanziellen Verlockungen hatte sie es vorgezogen
dazubleiben und sich mittlerweile zu der Position einer leitenden
Staatsanwältin vor Gericht hochgearbeitet. Dabei hatte sie sich
gleichzeitig ein Renommee als gewitzte, hartnäckige und
gewissenhafte Anklägerin erworben.
    Zwei Richter hatten gerade mit siebzig Jahren das
obligatorische Ruhestandsalter erreicht und ihren Richtersitz
aufgegeben, und daher gab es jetzt zwei offene Stellen. In seiner
Eigenschaft als Senator des Staates hatte Jonathan Hoover
Kerrys Namen für eine der Positionen eingereicht. Sie gestand
nicht einmal sich selbst ein, wie sehnlich sie sich das Richteramt
wünschte. Die großen Kanzleien boten wesentlich mehr Geld,
aber ein Richteramt stellte die Art von Errungenschaft dar, mit
der Geld niemals konkurrieren konnte.
    Kerry dachte gerade an die mögliche Ernennung, als sie am
Morgen den Code für das Schloß der Außentür eingab und,
sobald es klickte, die Tür aufstieß. Sie winkte der Telefonistin
zu und ging rasch in das Büro, das dem Staatsanwalt mit
Prozeßbefugnis zugeordnet war.
    Gemessen an den fensterlosen Minibüros, die den neuen
Anwälten bei der Staatsanwaltschaft zugeteilt wurden, war
dieser Büroraum von angenehmer Größe. Die Platte des
abgenutzten Holzschreibtischs war so vollständig mit
Aktenstapeln bedeckt, daß sein Zustand kaum eine Rolle spielte.
Die Stühle mit ihren geraden Lehnen paßten nicht zusammen,
doch sie erfüllten ihren Zweck. An der obersten Schublade des
Aktenschranks mußte man energisch zerren, um sie überhaupt
aufzubekommen, doch das irritierte Kerry nicht sonderlich.
    Der Raum hatte eine gute Lüftung,
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