Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Gesicht so schön und kalt

Ein Gesicht so schön und kalt

Titel: Ein Gesicht so schön und kalt
Autoren: Mary Higgins Clark
Vom Netzwerk:
Frau, daß es einen Alptraum ausgelöst hatte? Sie
schüttelte ratlos den Kopf.
Erneut warf sie einen Blick auf die anderen Anwesenden, die
in dem winzigen Wartezimmer saßen. Der Junge hatte offenbar
einen Unfall erlitten und sich wahrscheinlich die Nase
gebrochen. Aber war die ältere Frau nur wegen eines ganz
normalen Faceliftings hier, oder hoffte sie womöglich auf ein
völlig neues Erscheinungsbild?
Wie fühlte man sich wohl, wenn man in den Spiegel schaute
und feststellte, daß einem eine Fremde entgegenblickte? fragte
sich Kerry. Kann man sich einfach sein neues Aussehen nach
Belieben aussuchen? War die Sache so einfach?
»Ms. McGrath.«
Kerry wandte sich um und sah Mrs. Carpenter, die Schwester,
gestikulieren, sie möge zu den Behandlungszimmern kommen.
Kerry beeilte sich, ihr zu folgen. Bei ihrem letzten Besuch
hatte sie die Sprechstundenhilfe am Empfang über die Frau
ausgefragt, die sie damals hier gesehen hatte, und zur Antwort
erhalten, ihr Name sei Barbara Tompkins. Jetzt konnte sie die
Krankenschwester nach dieser anderen Frau fragen. »Diese
junge Frau, die soeben wegging, kam mir irgendwie vertraut
vor«, fragte Kerry. »Wie heißt sie denn?«
»Pamela Worth«, antwortete Mrs. Carpenter knapp. »So, da
wären wir.«
Sie entdeckte Robin, die dem Arzt gegenüber vor seinem
Schreibtisch saß; sie saß ungewöhnlich gerade da und hatte die
Hände auf dem Schoß gefaltet. Kerry bemerkte den Ausdruck
von Erleichterung in der Miene ihrer Tochter, als Robin sich
umdrehte und ihre Blicke sich begegneten.
Der Chirurg nickte Kerry zu und bedeutete ihr mit einer
Geste, sie möge sich auf den Sessel neben Robin setzen. »Ich
habe mit Robin die Nachbehandlung besprochen, die ich für sie
haben möchte, um sicherzugehen, daß nichts den Heilprozeß
beeinträchtigt. Sie möchte wieder Fußball spielen, aber sie muß
mir versprechen, daß sie für den Rest der Saison eine
Gesichtsmaske trägt. Wir dürfen nicht das geringste Risiko
eingehen, daß diese Schnittwunden wieder aufgerissen werden.
Ich gehe davon aus, daß die Narben in einem halben Jahr nicht
mehr sichtbar sind.«
Sein Gesicht nahm einen entschiedenen Ausdruck an. »Ich
habe Robin bereits erklärt, daß mich viele Menschen mit dem
Wunsch nach der Art von Schönheit aufsuchen, wie Robin sie
freizügig geschenkt bekommen hat. Es ist ihre Pflicht, sie zu
hegen und zu pflegen. Ich entnehme den Unterlagen, daß Sie
geschieden sind. Robin hat mir gesagt, daß ihr Vater zum
Zeitpunkt des Unfalls am Steuer saß. Ich rate Ihnen dringend,
ihm einzuschärfen, sich in Zukunft besser um seine Tochter zu
kümmern. Sie ist unersetzlich.«
Auf dem Heimweg kehrten sie auf Robins Wunsch bei
Valentino’s in Park Ridge zum Abendessen ein. »Ich mag die
Krabben hier«, verkündete Robin. Doch als sie sich gerade an
einen Tisch gesetzt hatten, blickte Robin sich um und sagte:
»Daddy ist einmal mit mir hierhergekommen. Er sagt, es ist das
beste Lokal hier.« Ihre Stimme klang träumerisch.
Deshalb also wollte sie unbedingt in dieses Restaurant, dachte
Kerry. Seit dem Unfall hatte Bob Robin nur einmal angerufen,
und das war während der Schule. Seine Botschaft auf dem
Anrufbeantworter lautete, er vermute, sie sei in der Schule, und
das bedeute wohl, daß es ihr prima ginge. Es gab keine Bitte um
Robins Rückruf. Jetzt sei fair, ermahnte Kerry sich. Immerhin
hat er sich bei mir im Büro erkundigt, und er weiß, daß Dr.
Smith gesagt hat, Robin werde wieder ganz in Ordnung
kommen. Doch das war schon zwei Wochen her. Seither
Schweigen.
Der Kellner erschien, um die Bestellung aufzunehmen. Als sie
wieder allein waren, sagte Robin: »Mom, ich will nicht mehr zu
Dr. Smith gehn. Er ist gruselig.«
Kerry war bestürzt. Das entsprach genau ihren eigenen
Gedanken. Und als nächstes kam ihr in den Sinn, daß sie
lediglich sein Wort dafür hatte, daß die schlimmen roten
Striemen auf Robins Gesicht verschwinden würden. Ich muß sie
unbedingt von einem anderen Arzt untersuchen lassen, nahm sie
sich vor. Um einen sachlichen Ton bemüht, erklärte sie: »Oh,
ich denke, Dr. Smith ist schon in Ordnung, auch wenn er soviel
Charakter hat wie eine feuchte Nudel.« Sie wurde von Robins
vergnügtem Grinsen belohnt.
»Wie auch immer«, fuhr sie fort, »er will dich erst wieder in
einem Monat sehen, und danach vielleicht überhaupt nicht mehr.
Also mach dir keine Sorgen. Er kann nichts dafür, daß er ohne
Charme auf die Welt
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher