Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Ein gefährliches Werkzeug

Titel: Ein gefährliches Werkzeug
Autoren: David Christie Murray
Vom Netzwerk:
auf dem Ladentisch aufräumte, schraubte die lautsummende Gasflamme etwas niederer und blickte Esden an, der, noch immer die Arme auf den Ladentisch gestützt, zu zögern schien.
    »Ich muß Sie dringend bitten,« begann der Werkzeugfabrikant aufs neue, »nicht zu glauben, ich habe Sie hierher genötigt, um Sie zu beleidigen. Ich habe gehört, daß dies schon oft vorgekommen sei, und habe die Sache ganz anders angesehen.«
    »Das mag wohl sein,« erwiderte Esden, »unser Herrgott hat ja Kostgänger aller Art,« Gale fühlte sich durch die Anwesenheit dieses edlen Gentleman bedrückt und machte sich immer wieder mit einer Handvoll Werkzeuge auf dem Ladentisch zu schaffen. »Sie sind besser, als ich gedacht habe,« erklärte der Advokat in wohlwollendem Ton; »ich gebe zu, daß ich mich zuerst etwas unangenehm berührt fühlte, aber ich sehe ein, daß Sie es gut gemeint haben und mir wirklich dankbar sind.«
    »Das bin ich auch in der That,« sagte Gale in unterwürfigem Ton.
    »Gut also,« fuhr Esden mit plötzlicher Lebhaftigkeit fort, »so lassen Sie mich Ihre Dankbarkeit auf die Probe stellen.«
    »Von Herzen gern, Herr Esden.«
    »Schön,« sagte Esden und zeigte wieder sein kluges, überredendes Lächeln; »Sie verstehen ja wohl ein bißchenwas von diesem Geschäft, nicht wahr? Wissen ist Macht! Nun bin ich Advokat und zwar Kriminalist und es könnte mir eines schönen Tages ganz geschickt sein, wenn ich wüßte, was Sie mir sagen können.«
    Der Werkzeugfabrikant nahm eine etwas zu bewußt biedere Miene an.
    »Selbst der allerrechtlichste Kaufmann meiner Branche läuft Gefahr, mit schlechten Leuten Geschäfte machen zu müssen.«
    »Natürlich,« stimmte ihm Esden noch immer lächelnd zu, »aber nun sagen Sie mir das, was der allerrechtlichste Geschäftsmann in Ihrer Branche wissen darf.« Gale zögerte. »Ueber Einbruchswerkzeuge zum Beispiel,« setzte der Advokat ermunternd hinzu.
    »Eigentlich,« erwiderte der ehrliche Geschäftsmann, »gibt es gar keine besonderen Einbruchsinstrumente, aber es befindet sich auch nicht ein Werkzeug im Laden, das ein Einbrecher nicht zu seiner Arbeit verwenden könnte. Hier sehen Sie den Drillbohrer und den Schrotmeißel und Brecheisen jeder Art, vom Lord Manor bis herab zum Jaköbchen. Lord Mayor ist ein langes Brecheisen zum Aufbrechen eiserner Geldschränke und das Jaköbchen ein kleines Taschenbrecheisen. Anm. d. Uebers. All diese Werkzeuge werden tagtäglich zu ehrlicher Arbeit verwendet: ist einer aber ein Einbrecher und kann es erschwingen, so hat er sie ein wenig feiner als der gewöhnliche Arbeiter.«
    »Aus Berufsstolz?« fragte der Anwalt.
    »Das mag bisweilen wohl auch mit unterlaufen, aber im allgemeinen aus praktischen Gründen, denn es kommt bei einem Einbruch natürlich mehr darauf an, als bei gewöhnlicher Arbeit. Es muß rasch und geräuschlos gemacht werden. So kommt zum Beispiel ein Mann und kauft sich einen Hammer – sagen wir einmal mit kurzem Griff und schwerem Kopf – wie man ihn bei Dutzenden von Handwerken braucht. Will er ihn zu nächtlicher Arbeit verwenden, so läßt er ihn mit dickem Leder beziehen, ebensodas obere Ende seines Schrotmeißels und legt, ehe er ans Werk geht, das Leder zwei oder drei Stunden in Wasser, so daß sich kaum ein Ton vernehmen läßt, wenn er die Instrumente anwendet. Manchmal haben sie auch alle ihre Werkzeuge mit Leder überzogen, damit sie nicht klirren, und wenn die Brecheisen zu lang sind, um in einer mäßig großen Reisetasche untergebracht werden zu können, so lassen sie dieselben in einzelnen Teilen anfertigen, die mit langen Schrauben zusammengefügt werden und fast luftdicht aneinanderschließen. Ach,« rief er nach einer kleinen Pause, »da fällt mir eben ein, daß ich besagten Gegenstand in einer Minute hier habe, wenn Sie so lange allein hier warten wollen.«
    Er verließ den Laden, kehrte aber alsbald wieder zurück und trug ein kleines, mit Leder überzogenes Brecheisen in der Hand. Die beiden unbedeckten Enden, von denen das eine wie der Nagelzieher an einem gewöhnlichen Hammer gespalten und gebogen und das andre flach und scharf wie ein Rasiermesser war, blitzten im Lichte der Gasflamme wie poliertes Silber.
    »Es ist geradezu wunderbar, wie ich dazu komme, einen derartigen Gegenstand zu besitzen. Ich will es Ihnen erzählen. Vor etwa sechs oder sieben Monaten trat ein gut gekleideter, anständig aussehender Herr in den Laden und bestellte einen Satz Instrumente – Brecheisen von jeder Größe und
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher