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Ein gefährliches Werkzeug

Titel: Ein gefährliches Werkzeug
Autoren: David Christie Murray
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überraschen könnte. Er trug eine höchst geschmacklose Halsbinde und ebensolche Busennadel und hielt einen spiegelglatten Seidenhut in der Hand. Es war dies Joseph Prickett, Mitglied der hauptstädtischen Geheimpolizei; und er war es, der den angesehenen Bürger hier auf die Anklagebank gebracht hatte, und der nun die jedem Sportsman natürliche Begierde fühlte, seine Beute in Sicherheit zu sehen.
    Als die gemütliche und überzeugende Rede Herrn Wyncott Esdens zu Ende war, ergriff der Richter das Wort. Er zeigte sich äußerst verbindlich gegen den Verteidiger und sagte mancherlei, was den Ohren und dem Verstand dieses Herrn recht wohl gefiel, allein seine zusammenfassende Darstellung, so unparteiisch sie auch klang, fiel völlig gegen den Angeklagten aus. Prickett, der schon etwas zweifelhaft geworden war, atmete wieder auf. Die Haltung des Angeklagten veränderte sich kaum, nur wischte er nicht mehr sein Gesicht mit dem zusammengeballten Taschentuch ab, sondern drückte es fest in beide Hände, stützte seine Arme auf die Lehne der Anklagebank und betrachtete forschend die Gesichter der Geschwornen. Durch den einförmigen Ton der Stimme des Richters wurde die einschläfernde Wirkung der Stickluft und der Hitze noch vermehrt, und als sich die Geschwornen zur Beratung zurückzogen, legte sich eine dumpfe Mattigkeit über alle Anwesenden. Auch der Richter begab sich in sein Privatzimmer undder Angeklagte ließ sich, halb verdeckt von dem Geländer der Anklagebank, auf seinen Platz nieder. Von der Straße und den anstoßenden Gängen her drang fernes Geräusch in den Gerichtssaal. Die Dämmerung begann den Saal zu erfüllen. Ein- oder zweimal traf einer dieser Töne das Ohr des Angeklagten und veranlaßte ihn zu lauschen. Dort von der Galerie her klang das unterdrückte Gemurmel vieler Stimmen und eine davon sagte mit überzeugender Kürze: »Fünfzehn Jahre.« Der Angeklagte wandte sich nach dem Sprecher um und wischte sich, trotz der Hitze, kalten Schweiß von der Stirne und den Händen.
    Ein alter Habitus des Gerichtssaales, ein Mann in abgeschabten schwarzen Kleidern, mit einem weißen Wisch um den Hals und einem gewissen Rumgeruch um sich her, stand neben Prickett. Er war in aller Bescheidenheit seiner eignen Meinung, aber er bedurfte einer Autorität zu deren Bestätigung.
    »Er wird mindestens zehn Jahre bekommen, glauben Sie nicht auch? Wissen Sie, es ist Einbruch mit Körperverletzung – es fehlte nicht viel zu einem Mord. Ist ja das reine Wunder, daß der Mann davongekommen ist.«
    »Das wird die nächste halbe Stunde lehren,« erwiderte Prickett. »Man kann nie wissen, was ein kluger Rechtsbeistand für einen Kerl thun kann. Dieser Bursche,« damit wies er auf Herr Wyncott Esden, »ist so schlau wie Garrick. Mit seiner Zungenfertigkeit könnte er einen Vogel von seinem Zweig herunter schmeicheln.«
    Er hatte noch kaum ausgesprochen, als eine allgemeine Bewegung die Rückkehr der Geschwornen verkündigte. Ein Gerichtsdiener öffnete die Thür zu dem Zimmer des Richters und eine Minute später hatten dieser und die Geschwornen ihre Plätze wieder eingenommen, während der Angeklagte aufgestanden war und durch die wachsende Dunkelheit hindurch in den Gesichtern zu lesen suchte. Ob die Geschwornen ihr Urteil gefällt hätten? fragte der Gerichtsschreiber. Ja. War der Angeklagte schuldig oder nicht schuldig? Nicht schuldig. Einen Augenblick lang war der Gerichtssaal von Gemurmel und Geräusch erfüllt, und der Angeklagte faltete das dicht zusammengeballte Taschentuch auseinander, riebseine Hände energisch damit ab und steckte es dann entschlossen n seine Brusttasche.
    Der Richter redete den Angeklagten an und empfahl ihm ziemlich eindringlich, lieber nicht mehr hierher zurückzukehren; er habe einen besonders geschickten Verteidiger gehabt, die Geschwornen seien nachsichtig gewesen und es stehe ihm nun frei, zu gehen, wohin er wolle.
    Wyncott Esden bildete gleich danach den Mittelpunkt einer gratulierenden kleinen Menschenmenge und einige der älteren Anwälte sprachen sich geradezu begeistert gegen ihn aus. Er nahm ihre Glückwünsche mit dem denkbar grüßten Anstand in Empfang, indem er weder Schüchternheit noch Aufgeblasenheit, sondern nur verbindliche Freundlichkeit an den Tag legte.
    »Ja, ja, mein Junge,« sagte einer von ihnen, »Sie sind für Ihr Lebtag versorgt, denn alle Diebe, die Ihre Gebühren aufbringen können, werden sich künftig auf Ihre Beredsamkeit verlassen.«
    Mit dieser Verhandlung
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