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Ein gefährliches Werkzeug

Titel: Ein gefährliches Werkzeug
Autoren: David Christie Murray
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gingen die Gerichtssitzungen zu Ende und die großen Ferien begannen. Man unterhielt sich noch eine Weile lebhaft über Ferien und Ferienreisen und dann schlenderte einer der Herren nach dem andern weg. Als Wyncott Esden auf die Straße trat, traf er mit Herrn Prickelt zusammen. Der Detectiv berührte den Rand seines spiegelblanken Hutes mit seinem tadellos bekleideten Zeigefinger und spendete dem Anwalt ein bewunderndes, aber doch etwas vorwurfsvolles Lächeln.
    »Sie haben ihn herausgerissen, Herr Esden,« sagte Prickett mit leichtem Bedauern in seinem Ton. »Das gehört zum Handwerk und es ist etwas, womit man in unserm Beruf rechnen muß.« Esden lachte, legte ihm vertraulich die Hand auf die Schulter und schien vorübergehen zu wollen, allein Herr Prickett drehte sich um und begleitete ihn ehrerbietig, »Ich hatte auf seine Aussichten nicht zwei Pence gegen hundert Pfund gewettet, Herr Esden.«
    »Nun wissen Sie, Prickett,« erwiderte der Anwalt und richtete seinen klugen, freundlichen Blick auf ihn, »es war nicht meine Sache, diese hundert Pfund für Sie zu verdienen, sonst –«
    »Ja sonst –!!« sagte Prickelt. Er machte zwei oder drei Schritte weiter, immer achtungsvoll gegen seinen Gefährten geneigt, und fuhr dann fort: »Ein ›Nichtschuldig‹ befestigt das Ansehen eines Mannes. Indessen gehört es nicht zu meinem Geschäfte, Verleumdungen zu verbreiten und gar etwa dafür vor Gericht gezogen zu werden. Merken Sie wohl, Herr Esden, ich sage nicht, daß Reuben nicht so unschuldig sei als ein neugeborenes Kind, allein ich würde keinen einen Narren schelten, der an seine Schuld glaubt, und meiner Ansicht nach gibt es in diesem Augenblick keinen glücklicheren Mann als ihn. Wenn Sie mir die Bemerkung nicht verübeln wollen, Herr Esden, so möchte ich behaupten, daß er Ihnen viel, sehr viel Dank schuldig ist.«
    »Wir müssen alle suchen, unsere Pflicht zu thun, Prickett,« erwiderte Esden, voll innerer Zufriedenheit ihm zublinzelnd. »Wir müssen alle suchen, unsere Pflicht zu erfüllen in den verschiedenen Stellungen, die uns die Vorsehung beschieden hat.«
    Der Polizeibeamte lächelte traurig und bewundernd, blieb einen Schritt zurück, griff wieder an den Rand seines Hutes und sagte: »Guten Abend, Herr Esden.«
    Gemächlich schlenderte Esden an dem prachtvollen Augustabend, der einen erquickenden Gegensatz zu dem düstern, schwülen Gerichtssaal bildete, nach seiner Wohnung im Temple. Strahlend, lächelnd, triumphierend hatte er sich auf den Weg gemacht, allein seine Stimmung sank immer mehr, und völlig niedergeschlagen stieg er bis in den höchsten Stock eines der neuen hohen Häuser von Elmcourt, wo er, nachdem er sie geöffnet, die Thüre hastig hinter sich zuwarf. Hinter der schmalen Glasscheibe seines Briefkästchens bemerkte er ein halbes Dutzend Zuschriften, die seiner harrten, und die er nun – den Hut auf den Hinterkopf geschoben, den Stock unter dem Arm – in seinem Wohnzimmer öffnete und mit einem Blick überflog und dann auf den Tisch warf. Jeder Brief enthielt eine schon öfters eingesandte Rechnung und ohne Ausnahme drückten seine Korrespondenten ihre Verwunderung aus, daß er seinen alten Verpflichtungen noch nicht nachgekommen sei. Nachdem er sie alle durchgesehen,schichtete er sie im Kamin aufeinander und zündete sie an. Voll Widerwillen und Ueberdruß holte er dann aus seinem Schlafzimmer einen Geldkasten, in dem sich bei näherer Untersuchung ein Checkbuch mit nur noch zwei Blättern darin und eine einsame Fünfpfundnote fand. Er leerte seine Taschen und ließ ihren Inhalt auf seinen Ankleidetisch fallen.
    »Fünfunddreißig auf der Bank,« sagte er laut, »und elf in der Hand – eine höllisch angenehme Aussicht für die großen Ferien!«
    Er warf das Checkbuch in den Geldkasten zurück, zerknitterte die Note und steckte sie in die Tasche. Dann raffte er das Gold- und Silbergeld zusammen, verließ seine Wohnung und stieg mit einer Art wildem Galgenhumor die endlose Treppenflucht hinab. Unten angelangt, ging er nach kurzem Zögern quer über die Straße und trat in die Wirtschaft »Zum Hahnen«. Hier zog er sich hinter einen unbesetzten Verschlag zurück und bestellte sich ein Rippchen und einen Schoppen Bearner. Als sein bescheidenes Mahl gebracht wurde, sprach er ihm nur lässig zu und faltete eine Zeitung, in deren Spalten irgend etwas seine Aufmerksamkeit fesselte, bequem zusammen, lehnte sie gegen das Essig- und Oelgestell und begann gleichzeitig zu lesen und zu
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