Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Ein gefährliches Werkzeug

Titel: Ein gefährliches Werkzeug
Autoren: David Christie Murray
Vom Netzwerk:
Schnurrbart, daß man ihn leicht für einen verkleideten Gardeoffizier gehalten haben würde, hätte er nicht zu gescheidt dafür ausgesehen. Er gehörte zu jenen Männern, die so gesund sind, daß sie es fertig bringen, selbst in der größten Londoner Sommerhitze kühl und frisch auszusehen. Selbst in ihrer Kleidung macht sich bei solchen Menschen das Gefühl der Gesundheit geltend: ihre Wäsche ist steifer als die der weniger bevorzugten Menschenkinder, ihre Stiefel werden weniger staubig und ihre Kleider zerknittern sich weniger leicht.
    »Herein mit dir, Arnold, alter Kerl!« rief Esden. »Ich freue mich, dich zu sehen! Eben dachte ich daran, am Strand ein gekühltes Fruchtwasser zu trinken, aber wahrhaftig, du bist ein so ausgezeichneter Ersatz dafür, daß ich keinen Durst mehr fühle.«
    Der dragonermäßige Geistliche trat lachend ein, während der Advokat lässig den Fuß ausstreckte und einen Stuhl vor die beschädigte Thüre schob.
    »Hallo!« rief der Geistliche, der das zersprengte Schloß sofort bemerkte, »was ist dies? Einbruch?«
    »Nur ein kleiner Versuch mit dem Geschenk eines Klienten,« erwiderte Esden. »Ich habe gestern einen Kerl verteidigt und mit fliegenden Fahnen durchgedacht. Er speiste gestern tatsächlich mit mir an einem Tisch im ›Hahnen‹ und war über die Maßen dankbar. Er wollte nur – warte einen Augenblick – da ist der Briefträger.«
    Einige Briefe glitten lautlos in das außerhalb der Thüre angebrachte Kästchen und Esden holte sie eiligst herein.
    »Entschuldige, Arnold,« sagte er, »ich erwarte etwas Wichtiges und muß nachsehen.«
    Rasch öffnete er die Briefe und überflog mit Ausrufen der Ungeduld den Inhalt, bis einer davon ihn ernstlichzu beunruhigen schien. Mit diesem trat er ans Fenster und schien ihn wiederholt von Anfang zu Ende zu lesen. Sein Gesicht war verstört, und mit verzweifelter Miene fuhr er sich durchs Haar.
    »J. P.'s Handschrift, nicht wahr?« fragte der Geistliche und schob den Briefumschlag über den Tisch. »Es ist ihm doch hoffentlich nichts passiert?«
    »Er liegt im gleichen Spital mit mir krank,« sagte Esden. »Es geht ihm schlecht und er will wissen, ob ich ihm nicht etwas Geld geben kann.«
    »Du hast doch hoffentlich von J. P. nichts gepumpt?« sagte der andre.
    »Von I. P. gepumpt?« rief Esden auffallend gereizt. »Wer in aller Welt könnte denn auf den Gedanken kommen, J. P. anzupumpen? Er ist so arm wie eine Kirchenmaus und hat ein halbes Dutzend Kinder.«
    Er faltete den Brief zusammen und schob ihn in seine Brusttasche; dann trat er wieder an den Tisch und griff nach dem einzigen noch übrigen Schreiben, das er mit Widerwillen öffnete. Wahrend des Lesens aber erhellte sich sein Gesicht und schließlich tanzte er ein paarmal im Zimmer herum.
    »Das sieht besser aus,« sagte sein Gefährte.
    »Mein lieber Junge,« wandte sich Esden plötzlich mit feierlichem Gesicht an ihn. »Du ahnst gar nicht, um wie viel besser es ist! Der Teufel soll mich holen, wenn ich gewußt habe, wie ich durch die Gerichtsferien komme. Und nun habe ich hier eine Einladung nach Wootton Hill, um dort einige Monate zu verleben, wenn ich Lust habe. Wenn ich Lust habe? Werde ich wohl keine haben? Die alte Dame schreibt, Fräulein Pharr sei dort, und weißt du, alter Junge, ich glaube, sie will mir bei ihr Gelegenheit machen. Ich glaube, du kennst Fräulein Pharr? Schottische Erbin. Ein bißchen sommersprossig. Rothaarig. Im ganzen nicht übel. Der alte Pharr, ihr Onkel, ist anfangs des Jahres gestorben und hat ihr alles hinterlassen.«
    Der junge Geistliche erhob sich, warf nur einen einzigen Blick auf Esden und sing an, im Zimmer auf und ab zu gehen.»Ich habe eine zu gute Meinung von dir gehabt,« sagte er etwas barsch, »als daß ich dich für einen solchen Glücksritter gehalten hatte.«
    »Bah,« erwiderte Esden, »zeige mir die Möglichkeit, ein Mädchen mit fünfzehntausend Pfund jährlich zu heiraten, und ich nehme sie und du würdest es gerade so machen.«
    »Bitte um Entschuldigung,« entgegnete der Pfarrer etwas steif, »ich würde nie etwas Derartiges thun!«
    Sein Gesicht, seine Stimme und sein Wesen verrieten weit mehr Aerger, als der Veranlassung entsprechend erschien, aber er beruhigte sich rasch und nahm seinen Platz wieder ein.
    »Du wolltest mir etwas erzählen von einem Menschen, den du gestern verteidigt hast,« begann er noch immer etwas düster.
    »Ach richtig, ja,« sagte Esden, »der Einbrecher! Ueber seine Schuld konnte eigentlich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher