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Ein Garten im Winter

Ein Garten im Winter

Titel: Ein Garten im Winter
Autoren: Kristin Hannah
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finsteren Ritter, rollt es in schwarzen Kutschen über die Straßen aus Kopfsteinpflaster und will alles zerstören.«
    Dann trat Meredith auf die Bühne und achtete darauf, nicht über ihren langen, mehrlagigen Rock zu stolpern. Sie überblickte das Publikum und entdeckte ihre Mutter im Hintergrund, auch jetzt seltsam allein in der Menge, das schöne Gesicht verschleiert von Zigarettenrauch. Ausnahmsweise sah sie Meredith direkt an.
    »Komm, Schwester«, sagte Meredith laut und ging zur Straßenlaterne. »Wir lassen uns nicht von der Kälte aufhalten.«
    Nina trat hinter der Kulisse hervor. Sie trug ein verschlissenes Nachthemd und ein Kopftuch, blickte zu Meredith auf und rang die Hände. »Glaubst du, es ist der Schwarze Ritter?«, schrie sie und löste damit leises Gelächter im Publikum aus. »Bewirkt er mit seiner schwarzen Magie diese Kälte?«
    »Nein. Nein. Mich fröstelt, weil unser Vater verschwunden ist. Wann wird er zurückkommen?« Meredith presste sich den Handrücken gegen die Stirn und seufzte dramatisch. »Mittlerweile sind die Kutschen überall. Der Schwarze Ritter gewinnt an Macht … vor unseren Augen lösen sich die Menschen in Rauch auf …«
    »Sieh da«, sagte Nina und zeigte zur Schlosskulisse. »Der Prinz kommt …« Sie schaffte es, ihrer Stimme einen ehrfürchtigen Klang zu verleihen.
    Jeff betrat ihre kleine Bühne. Angetan mit Jeans, blauem Sportsakko und einer billigen Goldkrone auf seinem weizenblonden Haar sah er so gut aus, dass Meredith kurz ihren Text vergaß. Sie wusste, dass ihm unwohl und peinlich zumute war – seine glühenden Wangen verrieten dies mehr als deutlich –, aber dennoch war er hier und zeigte, welch ein guter Freund er war. Und er lächelte sie an, als wäre sie wirklich eine Prinzessin.
    Nun streckte er ihr zwei Seidenrosen entgegen. »Ich habe Rosen für dich«, verkündete er mit unsicherer Stimme zu Meredith.
    Sie berührte seine Hand, doch bevor sie etwas erwidern konnte, hörte man ein lautes Klirren.
    Meredith fuhr herum und sah, dass ihre Mutter wie erstarrt in der Menge stand. Ihr Gesicht war bleich, die blauen Augen weit aufgerissen und von ihrer Hand tropfte Blut. Sie hatte ihr Cocktailglas zerbrochen, und selbst aus der Entfernung konnte Meredith die Scherbe sehen, die aus ihrer Handfläche ragte.
    »Das reicht«, sagte ihre Mutter scharf. »Das ist wohl kaum die rechte Unterhaltung für eine Party.«
    Die Gäste wussten nicht, was sie tun sollten. Einige standen auf, andere blieben auf ihren Plätzen sitzen. Stille senkte sich über das Zimmer.
    Der Vater bahnte sich einen Weg zu seiner Frau. Er legte ihr den Arm um die Schultern und zog sie an sich. Zumindest versuchte er es, aber sie ließ es nicht zu, nicht mal bei ihm.
    »Ich hätte euch niemals diese albernen Märchen erzählen sollen«, meinte sie, und vor lauter Zorn klang ihr russischer Akzent noch härter. »Ich vergaß, wie romantisch und dumm Mädchen sein können.«
    Vor lauter Scham konnte Meredith sich nicht rühren.
    Sie sah, wie ihr Vater ihre Mutter in die Küche führte, wo er sie wahrscheinlich sofort zur Spüle schob, um ihre Hand zu säubern. Die Gäste suchten so schnell das Weite und verließen das Haus, als befänden sie sich auf der Titanic und strebten zu den Rettungsbooten.
    Nur Jeff starrte Meredith unverwandt an, und sie sah, wie peinlich ihm die Situation um ihretwillen war. Die Rosen immer noch in seiner ausgestreckten Hand, trat er auf sie zu. »Meredith –«
    Sie drängte sich an ihm vorbei und rannte aus dem Zimmer. Am Ende der Eingangshalle blieb sie stehen und verbarg sich schwer atmend und mit brennenden Augen in einer dunklen Nische. Sie konnte die Stimme ihres Vaters in der Küche hören; er versuchte seine zornige Frau zu beschwichtigen. Eine Minute später fiel leise die Haustür zu, und sie wusste, dass Jeff heimgegangen war.
    »Was hast du denn gemacht?«, fragte Nina leise und trat zu ihr.
    »Was weiß ich?«, erwiderte Meredith und wischte sich über die Augen. »Sie ist so ein Miststück.«
    »Das sagt man aber nicht.«
    Meredith hörte, dass Ninas Stimme zitterte, und wusste, wie sehr ihre Schwester bemüht war, nicht zu weinen. Sie griff nach ihrer Hand.
    »Was machen wir jetzt? Sollen wir sagen, es tut uns leid?«
    Unwillkürlich dachte Meredith an die letzte Gelegenheit, als sie ihre Mutter geärgert und sich dafür entschuldigt hatte. »Das interessiert sie sowieso nicht, glaub mir.«
    »Was machen wir dann?«
    Meredith versuchte, sich so
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