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Ein Garten im Winter

Ein Garten im Winter

Titel: Ein Garten im Winter
Autoren: Kristin Hannah
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Geschichte, so wahrheitsgetreu wie möglich wiedergegeben. Mein Vater wäre stolz auf mich. Ich bin doch noch eine Schriftstellerin geworden.
    Dies ist mein Geschenk an meine Töchter, obwohl sie mir viel mehr geschenkt haben und diese Worte ohne sie immer noch in mir gefangen wären und mich vergiften würden.
    Meredith ist mit Jeff zu Hause. Sie sind vollauf mit der Vorbereitung für Jillians große Hochzeit beschäftigt. Maddy arbeitet noch, sie leitet die vier Andenkenläden ihrer Mutter. Ich habe Meredith noch nie so glücklich gesehen. Ihre Tage bestehen nur aus Dingen, die sie gern tut, außerdem sind Jeff und sie oft auf Reisen. Sie behaupten, es seien Recherchereisen für seine äußerst erfolgreichen Romane, aber ich glaube, sie sind einfach gern zusammen.
    Nina ist oben mit ihrem Daniel, den sie zwar nie geheiratet hat, den sie aber mehr liebt, als ihr selbst klar ist. Sie haben einander auf zahlreichen Abenteuern in der ganzen Welt begleitet. Angeblich packen sie im Augenblick für eine weitere Reise, aber ich nehme an, sie sind gerade miteinander im Bett. Schön für sie.
    Und Anja – es ist mir ganz gleich, dass sie ihren Namen amerikanisiert hat, für mich wird sie immer Anja sein – ist mit ihrer Familie in der Kirche. Sie besuchen uns oft und erfüllen unser Haus mit Fröhlichkeit. Meine älteste Tochter und ich verbringen dann Stunden zusammen in der Küche, unterhalten uns auf Russisch und erinnern uns an die, die schon von uns gegangen sind. Mit Worten, Blicken und einem Lächeln können wir endlich ihrer gedenken.
    Ein letztes Mal schlage ich mein Tagebuch auf und schreibe so fest und deutlich, wie es mir in meinem Alter noch möglich ist: Für meine Kinder. Dann schließe ich es und lege es beiseite.
    Mir fallen immer wieder die Augen zu. In letzter Zeit schlafe ich ständig ein, und an diesem Dezembertag ist es so warm im Zimmer …
    Irgendwo meine ich ein Kind lachen zu hören.
    Vielleicht ist das auch nur ein Echo, ein Nachhall von unserem Weihnachtsessen. Dieses Jahr waren wir alle wieder zusammen. Meine neue Familie.
    Ich bin eine glückliche Frau. Das war mir nicht immer bewusst, aber jetzt weiß ich es. Trotz all meiner Fehler, trotz all meiner schrecklichen und folgenschweren Entscheidungen werde ich doch immer noch geliebt und, was vielleicht noch wichtiger ist, ich liebe.
    Ich öffne die Augen, weil mich etwas aufgeschreckt hat. Ein Geräusch. Einen Augenblick lang bin ich verwirrt und weiß nicht, wo ich bin. Dann sehe ich den vertrauten Kamin, den Weihnachtsbaum, der noch in der Ecke steht, und das Foto von mir über dem Kaminsims.
    Es hängt dort, wo früher das Gemälde einer Troika hing. Zuerst mochte ich Ninas Fotos überhaupt nicht. Ich sehe darauf so traurig aus, so schrecklich traurig.
    Aber ich habe mich daran gewöhnt. Es kennzeichnet den Anfang eines neuen Lebens, den Zeitpunkt, als ich endlich lernte, dass Liebe mit Vergebung einhergeht. Mittlerweile ist das Foto berühmt. Menschen auf der ganzen Welt haben es gesehen und betrachten mich jetzt als Heldin. Lächerlich. Es ist einfach das Bild einer Frau, die zu viel von ihrem Leben vergeudet hat und das Glück hatte, etwas davon zurückzubekommen.
    In der Ecke des Zimmers steht immer noch mein Ikonenschrein. Die Kerzen brennen von morgens bis abends. Meine beiden Hochzeitsfotos stehen da und erinnern mich jeden Tag daran, wie viel Glück ich hatte. Neben dem Foto von Anja und Leo sitzt zusammengesunken ein schmutziges, graues Stoffkaninchen. Genosse Floppy. Sein Kunstfell ist verfilzt, und ihm fehlt ein Auge, aber manchmal trage ich ihn zum Trost mit mir herum.
    Ich stehe auf. Meine Knie tun weh, und meine Füße sind geschwollen, aber darauf achte ich nicht. Darauf habe ich nie geachtet. Ich komme aus Leningrad. Ich gehe durch die stille Küche ins Esszimmer. Von hier aus kann ich meinen Wintergarten sehen, wo alles vom Schnee bedeckt ist. Der Himmel ist kupferfarben. Eis und Raureif blinken wie Diamanten am Dachgesims der Veranda. Ich denke an meinen geliebten Evan, der mich gerettet hat, als ich gerettet werden musste, und mir so viel gegeben hat. Er war derjenige, der mir immer wieder gesagt hatte, dass auch mir Vergebung möglich wäre, wenn ich es nur zuließe. Ich würde alles darum geben, früher auf ihn gehört zu haben, doch weiß ich, dass er mich jetzt hört.
    Ich bin barfuß und trage nur ein Flanellnachthemd. Wenn ich hinausgehe, werden Meredith und Nina sich Sorgen machen, dass ich wieder verrückt
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