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Ein Garten im Winter

Ein Garten im Winter

Titel: Ein Garten im Winter
Autoren: Kristin Hannah
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dass Sie diese an seinen früheren Studenten Phillip Kiseljew weitergeben. Er hat zwar schon seit Jahren nicht mehr an diesem Projekt gearbeitet, besitzt aber noch einen großen Teil der Originalquellen. Er wohnt nicht weit von hier. Auf der anderen Seite der Bucht, in Sitka.«
    »In Sitka?«, wiederholte sie. »Da waren wir schon. Das Schiff kommt nicht mehr dort vorbei.«
    »Um die Wahrheit zu sagen«, verkündete Meredith mit einem Blick auf ihre Uhr, »hat das Schiff Juneau vor vierzig Minuten verlassen. Es wird morgen den ganzen Tag nirgendwo anlegen.«
    Wassili stieß einen Laut aus. Nina erkannte, dass er aufgeregt und frustriert war, weil er sich nicht verständlich machen konnte.
    »Könnte er die Kassetten nicht per Post schicken?«, fragte die Mutter, und Nina fragte sich, ob sie Angst hatte, sie zu berühren.
    »Phillip war bei seinen Forschungen jahrelang seine rechte Hand. Seine Mutter und mein Vater kannten sich noch aus Minsk.«
    Nina sah auf Wassili hinunter und dachte wieder an ihren Vater und daran, wie Kleinigkeiten etwas Bedeutsames bewirken konnten. »Natürlich übergeben wir die Kassetten persönlich«, versprach sie. »Wir fahren gleich los. Außerdem haben wir genug Zeit, um das Schiff in Skagway zu erreichen.«
    Meredith nahm den Stapel Kassetten und den Zettel mit der Adresse. »Danke, Dr. Adamowitsch. Und Ihnen auch, Maxim, vielen Dank.«
    »Nein«, erwiderte Maxim ernst. »Ich danke Ihnen. Es war mir eine Ehre, Sie kennenzulernen, Veronika Petrowna Marschenko Whitson.«
    Die Mutter nickte. Sie warf einen kurzen Blick auf die Kassetten in Merediths Hand und beugte sich dann zu Wassili, um ihm etwas ins Ohr zu flüstern. Als sie sich wieder aufrichtete, schimmerten die Augen des alten Mannes. Er versuchte zu lächeln.
    Nina nahm ihre Mom beim Arm und führte sie zur Tür. Als sie den Haupteingang erreichten, hatte Meredith sich auf der anderen Seite bei ihr eingehakt. Alle drei traten sie gemeinsam hinaus in das blassblaue Licht des Frühlingstages. Der Regen hatte aufgehört und eine Welt glitzernder, funkelnder Möglichkeiten hinterlassen.
    Um halb acht kamen sie in Sitka an.
    »Ich könnte bereits in Los Angeles sein«, bemerkte Nina, als sie hinter Meredith aus dem Flugzeug stieg.
    »Für eine Fotoreporterin beklagst du dich ziemlich oft«, meinte Meredith und ging zur Abfertigung.
    »Weißt du noch, als sie klein war?«, sagte die Mutter zu Meredith. »Wenn ihre Socken ihr in die Schuhe gerutscht waren, setzte sie sich einfach hin und fing an zu brüllen. Und wenn man zu viel Ketchup auf ihre Eier gab – oder zu wenig –, dann fing sie an zu schmollen.«
    »Das stimmt überhaupt nicht«, widersprach Nina. »Ich war die Umkomplizierte. Du sprichst von Meredith. Erinnerst du dich noch an ihren Wutanfall, als sie nicht zu Karie Dovres Pyjamaparty gehen durfte?«
    »Das war doch gar nichts im Vergleich zu deinem Rachefeldzug gegen uns, als Mom dir bei dem Softball-Turnier nicht zum Abschied gewinkt hatte«, erwiderte Meredith.
    Nina blieb abrupt stehen und sah ihre Mom an. »Das war am Bahnhof. Du konntest mich nicht in den Zug stecken und zusehen, wie er davonfuhr, nicht wahr?«
    »Ich versuchte, stark zu sein«, sagte die Mutter leise. »Aber ich konnte es einfach nicht ertragen. Ich wusste aber, dass es dir weh tun würde. Es tut mir leid.«
    Meredith wurde klar, dass es noch viele solcher Momente zwischen ihnen geben würde. Nun, da der Heilungsprozess in Gang gekommen war, würden ihre Erinnerungen neu gedeutet werden müssen. Zum Beispiel die von dem Tag, an dem sie den kostbaren Wintergarten umgegraben hatte. Es war gewesen, als hätte sie die Grabsteine ausgegraben und weggeworfen. Kein Wunder, dass die Mutter die Beherrschung verloren hatte. Und kein Wunder, dass der Winter für sie immer so schwierig gewesen war.
    Und das Theaterstück? Jetzt sah Meredith alles durch das Prisma ihres neuen Verständnisses. Natürlich hatte ihre Mom es unterbrochen. In ihrer Unbedarftheit hatten sie und Jeff einfach ihre Liebesgeschichte nachgespielt … ihr Schmerz musste überwältigend gewesen sein.
    »Keine Entschuldigungen mehr«, sagte Meredith. »Lasst uns einfach ein für alle Male sagen, dass es uns leidtut, einander weh getan zu haben, weil wir nichts voneinander wussten. Und dann lassen wir es auf sich beruhen. Einverstanden?« Sie sah ihre Mutter an, die nickte, und dann Nina, die ebenfalls nickte.
    Sie machten sich auf den Weg und fanden Zimmer in einem kleinen Bed&Breakfast am
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