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030 - Die zweite Realität

030 - Die zweite Realität

Titel: 030 - Die zweite Realität
Autoren: Michael J. Parrish
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Matt war verwirrt, wusste nicht, was er erwidern sollte. Das gleißende Licht schmerzte in seinen Augen, seine Kehle fühlte sich an wie ausgedörrt. Er befeuchtete die Lippen, versuchte den schleimigen Brocken zu schlucken, der irgendwo in seinem Rachen saß. Wo, in Wudans Namen, war er…?
    Der Schmerz in seinen Augen legte sich, und auch das Pochen in seinem Schädel ließ ein wenig nach. Matt stöhnte und rieb sich die Schläfen, blinzelte in das helle Licht. Allmählich begannen sich Einzelhei- ten aus seiner Umgebung zu schälen. Matt sah weiße Wände, eine Deckenlampe, den Kasten einer Klimaanlage, das obere Ende eines Metallspinds… Das Innere eines Krankenhauszimmers? Er selbst lag in einem weichen Bett, Kanülen steckten in seinen Armbeugen, der gleichmäßige Ausschlag eines Herz- frequenzmessers war zu hören…
    Matt schloss die Augen. Der Tunnel… der Angriff der Androiden… das brüllende einäugige Monstrum… Die Erinnerung sickerte scheibchenweise in seinen Verstand.* Sie mussten ihn gefunden und in die Krankenstation des Regierungsbunkers zurück gebracht haben. Seine Flucht war gescheitert. Nun würde er sich für einen Mord verantworten müssen, die er nicht begangen hatte… Nein, falsch: Von dem er nicht glaubte ihn begangen zu haben.
    »Wie geht es Ihnen, Commander?«, fragte die Stimme. Erneut hob Matt die Augenlider. Seine Umgebung hatte sich nicht verändert. Er lag noch immer im Bett eines Krankenhauszimmers - aber die Einrichtung war nicht die eines Bunkers. Auch das Licht war anders. Fast so, als wäre es Sonnenlicht, das durch ein Fenster fiel. Was hunderte Meter unter der gefrorenen Erde von Arlington schwerlich sein konnte.
    ***
    Langsam drehte Matt den Kopf, was ihm einige Schwierigkeiten bereitete. Die Muskulatur in seinem Nacken war steif, die Halswirbel schienen geradezu eingerostet zu sein. Als hätte er sich seit einer Ewigkeit nicht mehr bewegt…
    »Vorsicht«, beschied ihm die Stimme, die vorhin bereits zu ihm gesprochen hatte. »Sie sind ein wenig aus der Übung.« Matt erkannte, dass jemand neben dem Krankenbett stand - jemand, der weiße Kleidung und einen weiten Arztkittel trug. Langsam blickte Matt an der hageren Gestalt empor, musste seine Au- gen gegen das blendende Licht abschirmen. Schließlich blickte er In das Gesicht eines etwa fünfzigjährigen Mannes. Es war schmal und kantig, und die tief liegenden Augen verliehen ihm etwas Raubvogelhaftes. Die Nase des Mannes war auffallend schmal und gekrümmt, was diesen Eindruck noch unterstrich. Sein schwarzes Haar, in das sich bereits graue Strähnen gemischt hatten, war dünn und streng nach hinten gekämmt. Matt war sich sicher, diesen Mann noch nie zuvor in seinem Leben gesehen zu haben. »W… wer sind Sie?«, fragte er leise, erschrak über den dünnen, brüchigen Klang seiner eigenen Stimme. »Mein Name ist Dr. Sirwig«, kam die Antwort prompt. »Ich bin Ihr behandelnder Arzt.«
    »M… mein behandelnder Arzt?«, würgte Matt hervor. Er war bestürzt, wie schwer ihm das Sprechen fiel. Seine Zunge war eine formlose Masse in seinem Mund; er konnte nur undeutlich artikulieren. Wie lange war er bewusstlos gewesen? Seine letzte Erinnerung war, dass er auf dem steinigen Boden des Tunnels zwischen Washington und Arlington gelegen hatte, General Crow über sich gebeugt. Der Techno hatte ihn vor dem einäugigen Monster gerettet, hatte ihn zur Seite gestoßen und…
    »Das mit Ihrer Zunge wird sich bald legen«, verriet ihm der Arzt. »Die Schwellung ist nur eine Folge der Medikamente, die wir Ihnen verabreichen mussten. In Ihrem Zustand ist sie nicht ungewöhnlich.«
    »Wo bin ich?«, stellte Matt die Frage, die ihn plötzlich brennender interessierte als alles andere. Er war sich nun sicher, nicht mehr im Bunker zu sein. Vielleicht hatte man ihn an die Oberfläche verlegt, in einen der oberirdischen Räume des Pentagons.
    »Auf der Krankenstation Ihres Stützpunkts«, sagte Dr. Sirwig.
    »M… meines Stützpunkts?«
    »Aber ja. Erinnern Sie sich nicht? Sie sind Commander Matthew Drax, Pilot der US Air Force, stationiert auf der Airbase Berlin- Köpenick.« Im ersten Augenblick war Matt einfach nur perplex. Dann überkam ihn eine widernatürliche Heiterkeit, und er lachte lautlos in sich hinein. Es war also geschehen. Er hatte den Verstand verloren. Irgendwie war das abzusehen gewesen nach all den Fährnissen der zurückliegenden Zeit, nach all den Dingen, die er erlebt hatte und die sein Verstand kaum hatte verarbeiten
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