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Ein endloser Albtraum (German Edition)

Ein endloser Albtraum (German Edition)

Titel: Ein endloser Albtraum (German Edition)
Autoren: John Marsden
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Kinder, hatten die Motorräder mit der Ausrüstung beladen, waren dann zum Fluss hinuntergegangen, hatten unter den Sternen geschlafen oder in den kalten Nächten ein Stück Segeltuch zwischen zwei Bäume gespannt. Wir waren also daran gewöhnt. Manchmal kam eine andere Freundin mit, für gewöhnlich Robyn oder Fi. Niemals Jungs. In diesem Alter findet man, dass Jungen so viel Persönlichkeit wie Kleiderhaken haben, und man beachtet ihre Blicke nicht.
    Dann wird man erwachsen.
    Ich kann es kaum glauben, dass wir erst vor einigen Wochen vor dem Fernsehapparat herumlungerten, uns irgendeinen Schund ansahen und über die Ferien redeten. »Wir sind seit Ewigkeiten nicht mehr unten am Fluss gewesen«, sagte Corrie. »Lass uns dort hingehen.«
    »Okay. Fragen wir Dad, ob wir den Landrover haben können.«
    »Okay. Fragen wir Kevin und Homer, ob sie mitkommen wollen.«
    »Ach ja, Jungs! Aber das wird man uns nie erlauben.«
    »Vielleicht doch. Es ist einen Versuch wert.«
    »Wenn wir den Landrover bekommen, könnten wir weiter fahren. Wäre es nicht großartig, wenn wir direkt bis zum Tailor und in die Hölle fahren könnten.«
    »Okay, fragen wir.«
    Der Tailor, Tailors Stitch, ist eine lange Linie. Ein Bergkamm, der vollkommen gerade vom Mount Martin bis zum Wombegonoo verläuft. Er ist felsig und stellenweise sehr schmal und steil, aber man kann ihn entlanggehen und er bietet auch ein wenig Deckung. Die Aussicht ist fantastisch. An einer Stelle in der Nähe des Mount Martin kann man auf einem beinahe zugewachsenen Weg für den Transport von Holzstämmen fast bis ganz hinauf fahren. Die Hölle liegt auf der anderen Seite des Tailors, ein großer Kessel mit Felsbrocken, Bäumen, Brombeerhecken, wilden Hunden, Wombats und Unterholz. Sie ist eine echte Wildnis und ich kenne niemanden, der dort gewesen ist, obwohl ich oft an ihrem Rand gestanden und hinuntergeschaut habe. Ich sah keine Möglichkeit hineinzugelangen. Die Felsen um den Kessel sind sensationell und an manchen Stellen Hunderte Meter hoch. Eine Reihe von kleineren Felsen, die Satansstufen, führen angeblich hinein, aber wenn das Stufen sind, dann ist die Chinesische Mauer unser Gartenzaun. Doch wenn es einen Zugang gab, mussten diese Felsen der Weg sein und ich wollte es immer schon versuchen. Die Einheimischen erzählen Geschichten über den Einsiedler in der Hölle, einen Ex-Mörder, der angeblich jahrelang dort gelebt hat. Er soll seine Frau und sein Kind getötet haben. Ich hätte gern an seine Existenz geglaubt, doch es fiel mir schwer. Mein Verstand stellte mir immer wieder lästige Fragen, wie: »Wieso wurde er nicht gehängt, wie man es damals mit Mördern machte?« Aber es war eine gute Geschichte und ich hoffte, dass sie wahr war; nicht der Teil mit dem Mörder, sondern der mit dem Einsiedler.
    Jedenfalls war der ganze Ausflug davon ausgegangen. Wir hatten leichtfertig beschlossen ihn zu unternehmen und standen sofort vor einem Haufen Schwerarbeit. Die erste Aufgabe war, unsere Mütter und Väter zu überreden uns gehen zu lassen. Es ist nicht so, dass sie uns nicht vertrauen, aber wie Dad meinte: »Es ist eine ganz schön große Bitte.« Sie sagten lange Zeit nicht Nein, sondern versuchten stattdessen uns zu etwas anderem zu überreden. Ich glaube, dass es die meisten Eltern so machen. Sie wollen nicht streiten, deshalb schlagen sie Alternativen vor, zu denen sie Ja sagen können, und hoffen, dass auch wir Ja dazu sagen werden. »Ihr könnt doch wieder mal den Fluss hinunterfahren.« – »Ihr könnt statt der Jungs ja Robyn und Meriam mitnehmen.« – »Ihr könnt doch einfach die Fahrräder nehmen. Oder sogar Pferde. Macht doch eine richtig altmodische Campingtour. Das wäre lustig.«
    Mum findet es lustig, für die Abteilung Eingekochtes der Wirrawee-Landwirtschaftsmesse Marmelade zu machen, also ist sie kaum eine Autorität auf diesem Gebiet. Ich komme mir ein wenig komisch vor, wenn ich so etwas hinschreibe und dabei daran denke, was wir alle durchgemacht haben, aber ich werde ehrlich bleiben und nicht gefühlsduselig werden.
    Wir kamen schließlich zu einer Einigung, die gar nicht so schlecht war, wenn man es recht bedenkt. Wir durften den Landrover nehmen, aber ich war die Einzige, die ihn fahren durfte, obwohl Kevin bereits einen Führerschein hat und ich nicht. Dad weiß, dass ich eine gute Fahrerin bin. Wir durften auf den Tailors Stitch hinauffahren. Wir durften die Jungs einladen, aber dann musste die Gruppe größer sein: mindestens sechs
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