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Ein bretonisches Erbe

Ein bretonisches Erbe

Titel: Ein bretonisches Erbe
Autoren: Valerie Menton
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scheinen. Aber Du wirst auch erkennen, dass Liebe über alles Trennende hinweg eine Kraft entfaltet, die alle Menschen eint, welcher Nation und welcher Geburt sie auch sein mögen.
    Verbringe Du so viele glückliche Jahre dort, wie ich es durfte und bewahre mein Erbe für Dich und Deine Familie.
    Nur um eins bitte ich Dich, lass mich nicht einsam in der Fremde, sondern nimm mich mit Dir, wenn du in die Bretagne zurückkehrst.
    In Liebe Dein Opa Pierre

    Sie hatte die Hand mit dem darin befindlichen Brief sinken lassen und ihre Gedanken schweiften zurück in die Zeit, als ihr Großvater noch lebte. Niemand hatte es so sehr wie sie bedauert, dass er das Haus in der Bretagne aufgegeben hatte, um nach Nizza zu gehen. Nicht nur wegen der Ferien, welche die Familie von da an woanders verbrachte, sondern wegen der unschätzbar wertvollen Gespräche, die eine Nähe zwischen Ihnen gestiftet hatten, wie Yuna sie selbst zu ihrem Vater nie gespürt hatte. Seelenverwandtschaft, nennt man so etwas wohl und die hatte ihr Leben und besonders auch die Entscheidung, freie Kunst zu studieren, ganz entscheidend geprägt.
    Sie seufzte und schob den Briefbogen wieder in den Umschlag. Ihr Vater sah sie fragend an, aber sie verspürte nicht die mindeste Lust, ihm etwas über den Inhalt des Briefes zu erzählen.
    Der hatte sie verwirrt und diese Verwirrung war nichts, was sie mit ihrem Vater teilen musste. Das ging nur sie und ihren Großvater etwas an.
    Darum beschränkte sie sich auf die Wiedergabe schon bekannter Fakten, als ihr Vater schließlich fragte: „Was schreibt er, willst du es mir nicht sagen?“
    „Er schreibt, dass er mir das Haus vermacht, weil ich für ihn so eine Art Muse war, wichtig für sein künstlerisches Schaffen…“ Sie stockte und sah ihren Vater fragend an. Aber der lächelte nur, nickte und meinte: „Das habe ich doch auch gesagt. Du musst keine Skrupel haben, das Erbe anzunehmen. Dein Großvater wusste schon, was er tat. Er hatte seine Gründe, warum er verfügt hat, dass du nach seinem Tod An Triskell bekommen sollst.“
    Yuna nickte, obwohl sie immer noch wie betäubt war. Dass Juliette an dem Erbe nicht interessiert war, konnte sie gut nachvollziehen. Großvaters zweite Frau war wirklich nicht der Typ, der sich in so einem Haus in der Provinz vergraben würde. Sie brauchte die Boulevards, das pulsierende Leben einer großen Stadt. Ohne Nizza und Paris konnte sie nicht leben. Ihr Großvater schon und sie auch. Wie lieb, dass er an seinem Lebensende noch an sie gedacht hatte. Yuna sah noch einmal auf das Datum des Briefes. Nur wenige Monate waren ihm noch verblieben.
    Wieder überkam sie Ärger auf Juliette und sie erinnerte sich, wie schwer es ihr gefallen war, Opas lebenslustiger Witwe ihr Beileid auszusprechen und wie dann plötzlich der Streit über die Beisetzung der Urne ausgebrochen war. Dabei hatte sie nur vorgeschlagen, Opas Asche doch, wie er es auch noch mal in diesem Brief gewünscht hatte, in die Bretagne zu überführen, damit er an dem Ort, der vor allen anderen Heimat für ihn war, seine letzte Ruhe finden konnte. Aber Juliette hatte das abgelehnt. „Er wird ein angemessenes Begräbnis in Deutschland bekommen. Immerhin ist er ein berühmter Künstler, das sind wir der Öffentlichkeit schuldig.“
    Yuna, war sich sicher, dass es letztlich Juliettes Ruhmsucht gewesen war, die ihren Großvater ins Grab gebracht hatte. Man schleppte einen Mann seines Alters einfach nicht ständig von einer Ausstellungseröffnung zur nächsten und von Party zu Party. Nächtelang da herum zustehen, hielt doch selbst ein junger Mensch kaum aus. Und dann noch unbedingt eine eigene Galerie…
    Sicher, Juliette hatte Yunas Großvater im letzten Jahrzehnt international bekannt gemacht, aber das geschah nicht uneigennützig, denn auch sie glänzte in seinem Ruhm. Seine Skulpturen wurden in den bedeutendsten Galerien Europas gezeigt, zuletzt sogar in Paris, und immer wurde sie als seine Muse gefeiert. Dabei hatte sie auf sein Werk eigentlich gar keinen Einfluss gehabt und die vielen Ausstellungen ließen ihm keine Zeit mehr etwas Neues zu schaffen, was er ja auch in seinem Brief bedauerte.
    Aber er hatte sie trotzdem geliebt, eine letzte Tollheit, die er sich im Alter noch gegönnt hatte. Nur deswegen hatte Yuna beschlossen, statt den offenen Konflikt zu suchen, in Bezug auf die Beisetzung diplomatisch vorzugehen, was aber ebenfalls nicht von Erfolg gekrönt war. Ihre eigene Familie war ihr in den Rücken gefallen und
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