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Ein bretonisches Erbe

Ein bretonisches Erbe

Titel: Ein bretonisches Erbe
Autoren: Valerie Menton
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weil man auf dem vermeintlich rascher ans Ziel kam.
    Wenn der Weg das Ziel ist, wie es oft und gerne behauptet wird, dann konnte diese Philosophie nur stimmen, wenn man bereits den Weg wertschätzte und alles mitnahm, was so am Wegesrand lag. Natürlich auch eine Stadt wie Paris. Die ganz besonders!

    Yuna lächelte zufrieden, als sie auf das erste Stauende zu brauste.
    Es schreckte sie nicht, denn mit dem Motorrad konnte sie sich zwischen den wartenden Autos durchdrängeln, was in Paris mehr als anderorts toleriert wurde. Der Slalom, den sie nun hinlegte, machte ihr Spaß, auch wenn er stellenweise extremen Nervenkitzel verursachte und größte Aufmerksamkeit erforderte. Zu gerne brach mal ein ungeduldiger Kleintransporter überraschend aus seiner Schlange aus, dem sie lieber nicht ins Heck düsen wollte.
    Aber sie schaffte es, verließ den Stadtring an der Porte Vincenne und fummelte sich dann auf die linke Seine-Seite bis ins Quartier Latin durch, wo sie am Quai de Montebello, direkt neben den grünen Verkaufskästen mit antiquarischen Büchern und Postkarten, das Motorrad parkte.
    Den Rucksack mit der Urne auf dem Rücken überquerte sie die Seine und gelangte über die Brücke zur Kathedrale Notre Dame. Wenn sie schon hier war, dann wollte sie auch die Gelegenheit nutzen und ihr zusammen mit Großvaters Asche einen Besuch abstatten.

    Sie hatte die Kathedrale schon als kleines Mädchen geliebt und sich dort immer willkommen gefühlt. Diese Kirche war wie eine Trutzburg, die den Menschen, der sie betrat und sich auf sie einließ, schützend umfing und alle Last, die ihn bedrückte, von seinen Schultern nahm.
    Er musste dafür nicht einmal Christ sein oder gar beten. Yuna setzte sich in eine der Bankreihen im Mittelschiff und stellte den Rucksack neben sich. Sie öffnete ihn und als sie die Urne freilegte, fiel ein Sonnenstrahl durch die farbige Rosette des Eingangsportals darauf, so dass es schien, als hätte der Himmel sie sanft mit einem Lichtfinger gestreichelt.
    Glücklich dachte Yuna, dass dieser regenbogenbunte himmlische Gruß ihrem Großvater sicher gefallen hätte, mehr jedenfalls, als jede Trauerrede bei einer langweiligen, konventionellen Beerdigung. Wo immer er jetzt weilte, er würde gewiss zufrieden mit ihr sein und darüber schmunzeln.
    Yuna schloss den Rucksack wieder und verließ die Kirche mit diesem positiven Gedanken. Sie wanderte zum Boulevard Saint Germain, wo sie sich an einen Bistrotisch des Cafés Flores setzte und einen Salat mit Hühnchen bestellte, weil ihr tatsächlich der Magen ein wenig knurrte. Ein Stück Trüffeltorte und eine Tasse Café au lait schlossen den Imbiss ab.
    Perfekt, fand sie, und freute sich, dass sie es gewagt hatte, durch die Stadt zu fahren. Wie öde wäre es doch, jetzt in einer der immer gleichen Raststätten zu hocken, statt hier an diesem geschichtsträchtigen und romantischen Ort, wo viele berühmte Maler und Schriftsteller, genau wie sie, ihren Café getrunken und neue kühne Pläne geschmiedet hatten. Natürlich war es nicht mehr die Idylle der Jahrhundertwende, als auf dem Boulevard noch überwiegend Pferdegespanne und nur vereinzelte Autos gefahren waren. Jetzt war es laut und lebhaft, aber dennoch entfaltete der Ort eine Atmosphäre, die zum Träumen einlud und sicherlich auch zum Diskutieren und Visionen entwickeln, wenn man mit den richtigen Leuten hier zusammensaß.
    Bei dem Gedanken wünschte Yuna sich ihre Freundinnen oder notfalls auch ihre Familie herbei, denn es fühlte sich plötzlich gar nicht mehr so gut an, hier alleine zu sitzen und sich auszumalen, wie viel aufregender es sein könnte, wenn man mit Freunden hier wäre. Sie zahlte und ging mit schnellen Schritten zum Motorrad zurück. Vielleicht hatte sie sich doch ein bisschen zu viel zugemutet, als Single so alleine in der Stadt der Liebe!
    Beim der Maschine angekommen, sprach sie einer der Bouquinistes an und empfahl sein Sonderangebot an Kunstpostkarten. Er drückte ihr einen Stapel in die Hand, den sie nur ihm zu Liebe rasch durchsah. Sie wollte ihn gerade zurückgeben, als sie stockte. Der Händler merkte es und trat zu ihr. „Ah, sehr schön“, sagt er, „das ist eine Karte von der Ausstellung von Monsieur Pierre. Eine hübsche Skulptur, er arbeitet in der Bretagne.“
    Yuna betrachtete gerührt die Postkarte, von der sie ihr steinernes Abbild ansah. Bretonisches Mädchen stand als Titel darunter.
    „Was kostet sie?“
    „Sie ist mit Autogramm, das macht sie teurer, du
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