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0329 - Der Ghoul, der meinen Tod bestellte

0329 - Der Ghoul, der meinen Tod bestellte

Titel: 0329 - Der Ghoul, der meinen Tod bestellte
Autoren: Jason Dark
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Ed Gurny zog die Nase hoch. Die Nasenflügel weitete er, sie zitterten, sie waren sensible Antennen in seinem Gesicht, und die Geruchsnerven gaben Alarm.
    Es roch wie auf einem Friedhof!
    Eigentlich noch schlimmer. Da war kein sommerlicher Blütenduft wahrzunehmen, sondern der Gestank alter, verwesender Körper.
    So stanken Leichen!
    Gurnys Mund bewegte sich, ohne dass ein Wort über seine Lippen gekommen wäre. Er konnte sich den Leichengeruch nicht erklären und handelte auf seine ihm angeborene und auch weiterentwickelte Art und Weise.
    Der Mann zog seinen Revolver!
    Es war ein .38er Colt. Eine sehr schwere Waffe. Ein Freund hatte sie ihn in den Staaten besorgt, und Ed Gurny verließ sich auf sie. Er war mittlerweile zu der Überzeugung gelangt, dass jemand in seinem Laden Eintritt gefunden hatte.
    Gurny ging vor. Die Augen hinter den Brillengläsern hatten sich verengt. Sein Schreibtisch stand links von der Tür, hinter einem Tresen, wo auch noch die Regale mit den zahlreichen Schubfächern die Wand bedeckten.
    Da lagen die ausgefüllten Zettel der Wetter. Jedes Fach besaß eine Nummer. Diese Kennzeichnung musste sein, damit die Wetter schnell ihr Geld bekamen und Gurny nicht erst lange nach den Namen suchen musste.
    Der Raum zwischen Tresen und Tür war leer. Gurny konnte dies genau erkennen. Da hielt sich niemand verborgen, nicht einmal eine Maus oder eine Spinne.
    Trotzdem stank es so widerlich.
    Gurny gehörte zu den Leuten, die das Geschäft, in dem er tätig war, hart gemacht hatte. Er war kein Waisenknabe. Mit Bleistift und Colt konnte er gut umgehen, und er war eine Größe in der Londoner Szene.
    Furcht kannte er kaum, zudem gab es wohl keinen Menschen, der es gewagt hätte, sich an ihm zu vergreifen. Das Blei wäre ihm sicher gewesen. Ed Gurny hatte für alles eine Erklärung, nur für diesen verdammten Geruch nicht, der bereits anfing, ihm auf den Magen zu schlagen. Deshalb schluckte er ein paar Mal und schüttelte sich.
    In der Mitte der trennenden Barriere war die hüfthohe Schwingtür eingerastet. Sie reagierte auf einen leichten Druck. Aber Gurny hütete sich, sie zu öffnen, er blieb hinter dem Schreibtisch und hatte den Arm gesenkt. Die Revolvermündung deutete in den freien Raum vor der Barriere.
    Er war leer.
    Sosehr Gurny auch suchte und sich anstrengte, zu entdecken war nichts. »Verdammt, ich bin doch nicht verrückt«, sagte er. »Das kann nicht wahr sein.«
    »Es ist wahr!«
    Gurny erstarrte. Er hatte die Stimme vernommen und wusste nicht, woher sie gekommen war. Kalt rann es seinen Rücken hinab.
    Da war jemand, den er nicht sah, der aber trotzdem zu ihm sprach.
    Und das machte Gurny so nervös.
    Er war blass geworden. Verdammt, irgendwo musste sich der Kerl doch versteckt halten.
    Gurny öffnete die trennende Barriere. Er war fest entschlossen, im Notfall zu feuern, und er sah den Sprecher, als er nach links schaute.
    Gurny glaubte zu träumen. Das war ein Kind, das da vor ihm stand und so breit grinste. Es hatte sich dicht an die Barriere gepresst, schaute Ed Gurny an und zeigte keine Angst vor der Waffe.
    Gurny sprach nicht. Er spürte nur den Schweiß auf seiner rechten Handfläche. Seinen Blick konnte er ebenso wenig von dem Gesicht des Kindes wenden wie die Mündung des Revolvers vom Körper des Kleinen. Ja, klein war er. Da gab es nichts.
    Aber war es wirklich ein Kind?
    Gurny wollte es einfach nicht glauben. In der Größe stimmte es, dennoch waren die Proportionen verschoben. Ed Gurny fiel der Begriff Giftzwerg ein. So sah dieses Kind aus. Nicht größer als ein Zehnjähriger, aber mit dem Kopf und einem Gesicht versehen, das dem eines Erwachsenen glich.
    Gurny kannte Liliputaner aus dem Zirkus, und hier stand einer vor ihm. Breit war der Schädel. Das Haar lag platt darauf und war in der Mitte gescheitelt. Furchen durchzogen die Haut. Der Mund bildete ein ovales Loch, durch das Gas auszuströmen schien. Die Haut war aufgedunsen, fleckig und zeigte an einigen Stellen einen rosafarbenen Schein. Die Augen wirkten wie zwei mit Wasserfarbe gemalte Punkte.
    Gurny nickte. »Okay«, flüsterte er. »Okay, du hast mich geschockt, Kleiner. Was willst du?«
    »Setz dich doch erst.«
    »Nein.« Gurny war sauer. Er kannte das nicht, man sprach ihn nicht so an. Dazu noch in seinem eigenen Geschäft. Außerdem hatte der Zwerg ihm noch nicht erklärt, wie der Gestank in diesen Raum gekommen war. Gurny konnte sich sehr gut vorstellen, dass der andere durchaus etwas damit zu tun
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