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Ein bretonisches Erbe

Ein bretonisches Erbe

Titel: Ein bretonisches Erbe
Autoren: Valerie Menton
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auch zu öffnen, denen sie auf diesem Weg zwangsläufig begegnen würde und die ihr Großvater sicher einkalkuliert hatte, als er seinen Auftrag formulierte.
    Was hatte er geschrieben: Öffne dich dem Geist der Landschaft und des Ortes. Dann wirst du mit der Zeit lernen, dass die Dinge nicht immer sind, was sie scheinen. Und dann hatte er noch etwas über die Liebe gesagt… nämlich, dass sie im Stande ist, über alles Trennende hinweg die Menschen zu vereinen.
    Früher hatte er ihr oft das Buch über den kleinen Prinzen von Antoine de Saint Exupéry vorgelesen, dem der Fuchs verraten hatte, dass man nur mit dem Herzen gut sieht. Um aber damit zu sehen, musste man es öffnen und die Liebe hereinlassen. Und Yuna war sich unsicher, ob sie dazu wirklich schon wieder bereit war. Zu sehr fürchtete sie enttäuschte Erwartungen und neue Verletzungen. Dennoch dankte sie ihrem Großvater bereits jetzt, dass er sie auf diese Reise geschickt hatte und sie hoffte inständig, dass sie an deren Ende ein Stück mehr auch bei sich selber angekommen sein würde.
    Immerhin, die ersten Schritte waren gemacht. Sie biss in das frische Croissant und dachte dabei, dass Gott wohl tatsächlich in Frankreich wohnen musste.

    Sie ließ Reims hinter sich, zog an Chateau Thierry vorbei und tankte noch einmal ein paar Liter nach, bevor sie in den Dunstkreis von Paris eintrat.
    Irgendein berühmter Kopf soll ja behauptet haben, dass alle Wege nach Rom führen würden, was ihm einen Platz im Zitatenschatz der geflügelten Worte eingebracht hatte. Er konnte nie in Frankreich gewesen sein, denn wenn diese Behauptung für eine Stadt zutraf, dann war es Paris, der Nabel des Landes. Diese Stadt saß wie eine Spinne im Zentrum eines gewaltigen Straßennetzes, das sich von dort aus in alle Landesrichtungen erstreckte und vielfach verzweigte. Oder besser noch, Paris war wie ein Stern, der seine Strahlen bis in alle Provinzen schickte.
    Einen Moment war Yuna versucht, einfach in die Metropole hinein zu fahren, den Arc de Triomphe zu umrunden und vorbei am Eiffelturm via Bois de Bologne und Versailles auf eine der Autobahnen nach Westen zu stoßen, die mit ihren Namen wie L´Aquitaine oder L´Oceane verheißungsvolle aquamarinblaue Assoziationen weckten Aber die Zeit saß ihr im Nacken, denn sie konnte nicht sicher sein, dass man sie nicht verfolgte. Auf jeden Fall musste sie die Baie des Tréspassés an der Point du Raz vor allen mutmaßlichen Verfolgern erreichen.
    Jetzt hätte Yuna gerne mal einen Blick auf ihr Handy geworfen, hatte es aber absichtlich ausgeschaltet, um nicht über GPS geortet oder mit den Vorwürfen ihrer Familie bombardiert zu werden. Wenn sie ihr Ziel erreicht hatte, war dafür immer noch Zeit.
    Sie überlegte ob es vielleicht besser wäre gleich auf die Périphérique abzubiegen und auf dieser Umgehungsstraße die Stadt im Süden zu umrunden und dann, die Vorstädte hinter sich lassend, etwa bei Chartres wieder auf die Autobahn aufzufahren. So hatte es ihr Vater auf der Hinfahrt jedenfalls meistens gemacht, während er für die Rückfahrt stets einen kleinen Aufenthalt in Paris eingeplant hatte, um noch ein bisschen Kultur und Weltstadtflair mit nach Hause zu nehmen.

    Yuna begann nun stärker auf die Schilder zu achten, neigte aber dazu, die Entscheidung zu einer Schicksalsfrage zu machen. Verpasste sie die Abfahrt auf die Périphérique, dann fuhr sie eben doch durch die Stadt. Das würde die Fahrt zwar mindestens um zwei Stunden verlängern, aber darauf kam es nun auch nicht an, dafür wäre sie dann jedenfalls nach fünfzehn Jahren endlich mal wieder in Paris gewesen. Mit dem Motorrad konnte sie sogar bis ins pulsierende Herz der Seine-Metropole vorstoßen und vor einem Bistro, mit dem Blick auf Notre Dame oder den Louvre, die Beine ausstrecken und eine große Tasse Café au lait genießen.
    So eben wurde die Abzweigung nach Disneyland angezeigt und obwohl Yuna wusste, dass sie nun sehr aufmerksam sein und Tempo wegnehmen musste, weil unmittelbar hier auch die Abfahrt auf dem Boulevard Périphérique folgte, gab sie zusätzlich Gas und fuhr weiter gerade aus. Womit die Schicksalsfrage - zumindest in diese Sache - beantwortet war.
    Ich wäre dumm, wenn ich es nicht täte, sagte Yuna sich und als die Entscheidung gefallen war, fühlte sie sich tatsächlich besser. Sie war sich sicher, dass ihr Opa genauso gehandelt hätte. Etwas Tolles erleben konnte man nur, wenn man etwas wagte und nicht immer den einfachsten Weg wählte, nur
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