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Die Herrschaft Der Drachen 02 - Jandra

Titel: Die Herrschaft Der Drachen 02 - Jandra
Autoren: James Maxey
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Kapitel Eins
Die raffinierte Kunst des Fallens
    1100 D.Z . (Drachen-Zeitalter), im 1sten Jahr der
Herrschaft von Shandrazel.
     
    G raxen flog so dicht über den gewundenen Fluss, dass seine Flügelspitzen das Wasser berührten. Hinter ihm ging die Sonne auf und warf seinen Schatten ein Stück voraus – das Trugbild eines Drachen, der über die wogende Strömung hinwegschießt. Die Ulmen und Ahornbäume entlang des Ufers begannen bereits ihr Laub zu verlieren; eine Schicht aus roten und goldenen Blättern bedeckte jetzt die Erde. Graxens Atem erzeugte Wolken in der kühlen Morgenluft, die einen Moment noch wie ein dünner Schweif in der Luft hängen blieben, nachdem sein geschuppter Körper an ihnen entlanggestrichen war.
    Je weiter Graxen nach Westen kam, desto felsiger wurde der Fluss; an manchen Stellen schäumte das Wasser weiß auf. Als er endlich ein Stück erreichte, das spiegelglatt war, öffnete er freudig seinen Kiefer und erfrischte sich mit einem raschen Schluck, den er im Flug in sein Maul beförderte. Dann stieg er höher, genoss das eiskalte Getränk und starrte hinunter auf den Himmel, der sich rosa und weiß auf der ruhigen Wasseroberfläche
spiegelte. Graxen selbst bildete einen grauen Fleck inmitten der Pastellfarben. Im Gegensatz zu anderen Himmelsdrachen besaß er nicht einmal eine einzige blaue Schuppe. Irgendein Geburtsfehler hatte seiner Haut das Azurblau versagt, auf das andere Himmelsdrachen so stolz waren. Graxens Körper und seine Flügel wiesen die natürlichen Farben von Sturmwolken auf.
    Graxen kannte das Gebiet unter sich nur von Karten her. Der Fluss, dem er folgte, mäanderte zwischen niedrigen Bergen hindurch. Schon bald würde er den Staudamm erreichen, eine beeindruckende, uralte Konstruktion, hinter der sich der Krallensee befand, der eine Reihe langgestreckter, gewundener Täler füllte. Sein Ziel war jedoch das Nest, eine Inselfestung gleich auf der anderen Seite des Damms. Manchmal, kurz vor dem Einschlafen, sah Graxen sich wieder als Küken an den felsigen Ufern des Nests hocken. Es war seine früheste Erinnerung, wie er in einen flachen Teich gestarrt und die kleinen Fische dabei beobachtet hatte, wie sie hin und her schossen, während er auf die Biologen gewartet hatte, die ihn wegbringen sollten.
    Als männlicher erwachsener Himmelsdrache war es ihm verboten, zum Nest zurückzukehren. Nur eine Handvoll auserwählter männlicher Drachen wurde an diese geheiligten Ufer gebeten – zu denen Graxen allerdings wegen seiner grauen Schuppen nie gehören würde. Unter normalen Umständen hätte er keinerlei Möglichkeit gehabt, sich irgendwie Zutritt zu verschaffen. Andererseits hatte sich die Welt seit kurzem geändert. Graxen trug eine Tasche über der Schulter, deren Gurt so lang war, dass sie ihm bis zur Hüfte reichte. Der Inhalt dieser Tasche verlieh ihm den Mut, einen Ort aufzusuchen, der ihm ansonsten nur in seiner Phantasie offen stand.
    Als er die Flügel etwas neigte, um dem Fluss nach Norden auf den Damm zu zu folgen, sahen seine scharfen Augen, wie
sich hoch über ihm dunkle Schemen bewegten. Es waren Walküren, drei von ihnen. Der Damm war noch hinter einer weiteren Flussbiegung verborgen, und Graxen nahm an, dass die Walküren über der Anlage kreisten. Er fragte sich, ob sie ihn gesehen hatten. Die grauen Schuppen vor dem felsigen Fluss waren allerdings eine gute Tarnung.
    Er folgte der letzten Biegung und näherte sich dem Damm, der jetzt kaum noch eine Meile entfernt war. Und dann kamen die dunklen Schemen plötzlich auf ihn zu. Die Walküren waren die Wachen der Insel, weibliche Himmelsdrachen, die von Geburt an als Kriegerinnen ausgebildet worden waren. Abgesehen von seinem ersten Lebensjahr hatte Graxen nie ein lebendes Weibchen seiner Spezies zu Gesicht bekommen; er kannte sie nur aus Büchern und von Werken der Bildhauerei. Als sie sich jetzt auf ihn zubewegten, kam es ihm vor, als wären sie irgendwelchen Mythen entsprungen. Ihre silbernen Helme glitzerten in der Sonne. Die polierten Stahlspitzen der langen Speere in ihren Hinterklauen funkelten wie Sterne am Morgenhimmel.
    Graxens Blick fiel auf einen trockenen Felsen in der Mitte des Flusses, der kaum groß genug war, dass er darauf landen konnte. Ein paar andere Steine ragten ganz in der Nähe aus dem Wasser, die den drei Wachen als natürliche Landefläche dienen konnten. Er sah einen strategischen Vorteil für sich, wenn diese Begegnung auf festem Boden stattfand, und so zog er die Hinterklauen nach
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