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Ein bisschen schwanger

Ein bisschen schwanger

Titel: Ein bisschen schwanger
Autoren: K Dunker
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hochzusteigen.
    »Ah.«
    Sie wusste Bescheid. In der dritten Etage gab es nur den Gynäkologen und der war spezialisiert auf ambulante Operationen dieser Art – nur deswegen konnte ich also hier sein. Und sonst würde ich wohl kaum grübelnd auf halber Treppe stehen bleiben.
    Die Zahnarzthelferin musterte mich einen Moment. Sie war höchstens ein oder zwei Jahre älter als ich, vielleicht war sie noch in der Ausbildung.
    »Wenn du dir nicht sicher bist, dann lass es lieber.« »Ich habe eigentlich keine Zweifel.«
    »Und warum stehst du dann hier?«
    Ich zuckte die Achseln. Ein Mann stieg aus dem Aufzug, grüßte knapp, öffnete die Tür zur Zahnarztpraxis, verschwand darin. Von drinnen rief eine Stimme: »Carolin? Was ist?«
    »Ich komme sofort.« Carolin legte die Hand auf die Klinke. »Einen Augenblick, Frau Wagner. Hier ist eine Frau, der schlecht geworden ist. Ich bleibe noch einen Moment bei ihr! «
    Sie schloss die Tür, lächelte.
    Ich wurde rot. »Du kriegst meinetwegen noch Ärger«, sagte ich.
    »Egal.«
    Ich zögerte einen Moment. »Ich habe den Termin schon gemacht. Acht Uhr. Meine Mutter ist oben und wartet auf mich. Sie denkt vielleicht auch, mir sei schlecht geworden. Es ist alles schon beschlossen. Ich komme zu spät.«
    »Einen Termin kann man verlegen. Zumindest, wenn du von der Frist her noch Zeit hast.«
    »Eigentlich schon. Aber das ist doch blöd.«
    Carolin sah mich fragend an. »Was ist denn daran blöd? Blöd wär’s, gegen sein Gefühl eine Sache durchzuziehen, nur weil man sie einmal so beschlossen hat.«
    Die Tür zur Praxis ging wieder auf. »Guten Tag!«, sagte eine andere, ältere Sprechstundenhilfe und sah mich fragend an.
    »Es geht mir schon wieder besser, danke«, sagte ich schnell, und: »Auf Wiedersehen!«
    Ich lief los, nahm immer zwei Stufen auf einmal. Unten war ich total außer Atem, mir war flau, mir war zum Heulen, mir war zum Schreien, mir war unerklärlich zumute, und ich fand auch keine Worte, als meine Mutter schließlich aus dem Ärztehaus trat und fragte: »Was ist los? Wir warten da oben auf dich.«
    »Können wir den Termin verlegen?«, bat ich.
    »Verlegen?«
    »Frag doch nicht so blöd, Mama!«, schrie ich sie an.
    Sie wurde rot, drehte sich zornig auf dem Absatz um und betrat wieder das Haus. Ich lehnte mich gegen die Hauswand und heulte wie ein Schlosshund. Ein Rentner mit einem Dackel blieb stehen und fragte, ob er mir helfen könne. Ich schüttelte den Kopf, ließ mich mit dem Rücken an der Wand entlang bis auf den Boden rutschen, saß auf der Straße und heulte immer noch, als meine Mutter wieder herauskam, mich sanft am Arm hochzog und sagte: »Darauf brauch ich jetzt ’nen Schnaps.«
    »Hast du den Termin ver… ver… ?«
    »Verschoben, ja. Auf den 3. November. Wenn du dann wieder nicht willst, sollst du aber bitte rechtzeitig absagen. Für dich ist es sowieso die letzte Möglichkeit. Na, komm, das feiern wir jetzt!«
    Mir liefen immer noch Tränen über die Wangen. »Was? Nein! Da gibt’s nichts zu feiern! Das ist alles Scheiße! Ich bin einfach zu feige!«
    »Das glaube ich nicht«, sagte meine Mutter, selbst ein bisschen den Tränen nahe. »So blöd, wie du denkst, bin ich nun auch wieder nicht. Ich sehe doch, dass du dich mit dieser Geschichte quälst.«

Warnung
    20. Oktober, 20 Uhr
    Als es klingelte, waren wir alle in waschechter Galgenhumor- Stimmung. Mein Vater hatte »auf den Schock« eine weitere Flasche Sekt geöffnet, meine Mutter mich gerade nach einem gemeinschaftlichen Weinkrampf in den Arm genommen, Rabea mit Anna ein turbulentes Tänzchen aufgeführt und Martin mit der Bemerkung »Schwangere und Unentschlossene dürfen sich nicht anstrengen!« mit der Rahmung meiner Bilder für die Ausstellung begonnen. Ich rechnete damit, dass auch Sonja und Melanie zu uns stoßen würden, und staunte nicht schlecht, als plötzlich Till vor der Tür stand.
    »Was machst du denn hier?«, fragte ich erschrocken. An die beiden Jungs hatte ich in letzter Zeit gar nicht mehr gedacht. Till tauchte auch sonst nie allein auf.
    »Kann ich dich einen Moment sprechen?«, fragte er schüchtern. »Es dauert nicht lange.«
    »Natürlich. Komm rein!«
    Ich ließ ihn in die Wohnung. Er blickte irritiert auf die leeren Sektflaschen und Pizzakartons im Flur, die aneinander gelehnten Bilderrahmen und die kleine Anna, die daumenlutschend um die Ecke schielte, lauschte einen Moment neugierig dem Lachen und Reden aus der Küche und sagte dann schnell und so, als wollte er
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