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Ein bisschen schwanger

Ein bisschen schwanger

Titel: Ein bisschen schwanger
Autoren: K Dunker
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seine Hand nach mir aus. Eine Pranke. Er berührte mein Gesicht. Ich war starr. Er roch süßlich. Ich bekam eine Gänsehaut. Er streichelte mich. Mein Zittern wurde stärker. »Mäuschen«, sagte er zärtlich. Gleich, gleich würde er mir wieder seine schrecklichen Schweinereien ins Ohr flüstern.
    Ich schrie aus Leibeskräften und flüchtete ins Raubtierhaus. Die Glastür war breit und schwer. Schon stemmte sich Patrick von der anderen Seite dagegen. Ich drückte mit voller Kraft von innen und schrie. Die Tiere in den Käfigen waren solchen Aufruhr nicht gewohnt. Sofort breitete sich Unruhe aus. Die Tiger standen auf, liefen vor den Gittern auf und ab.
    »Du willst mein Kind abtreiben! Aber das lasse ich nicht zu! «
    »Lass mich in Ruhe! Verschwinde aus meinem Leben!«
    Ich überlegte, ob ich versuchen sollte, an der anderen Seite des Raubtierhauses herauszulaufen und wegzurennen. Doch der Weg von hier zum Hauptgebäude war weit und Patrick ein ausdauernder Läufer.
    Da sah ich Martin, er tauchte etwa zwanzig Meter hinter Patrick auf dem Hauptweg auf. Wahrscheinlich war sein Auftritt in die zweite Programmhälfte verlegt worden, und er war gekommen, um mir noch ein bisschen Gesellschaft zu leisten.
    Martin gestikulierte wild. Ich begriff sofort, was seine Zeichensprache und das Hochhalten seines Schlüsselbundes bedeuten sollten. Er sprach schon seit ein paar Tagen davon, Patrick eine Lektion erteilen zu wollen.
    Patrick bemerkte ihn nicht, er brüllte und stemmte sich mit unbändiger Macht gegen die Tür. Ich sah gerade noch, wie Martin in dem Kontrollraum des Raubtierhauses verschwand, dann brach mein Widerstand.
    Im nächsten Moment schleifte Patrick mich auf eine der Bänke und beugte sich über mich. »Du willst unser Kind umbringen!«
    »Nein, das ist nicht wahr! Ich hab’s noch nicht entschieden! «
    »Du hast doch schon für Montag einen Termin gemacht!«
    Er packte meine Arme, schüttelte mich. Morgen würde ich voller blauer Flecken sein.
    »Wie kannst du das nur tun wollen? Das ist abscheulich!«
    Mein Hinterkopf schlug gegen einen Bilderrahmen. Ich sah Sterne, aber das durfte ich nicht, ich musste bei klarem Verstand bleiben, an Martins Vorhaben denken.
    »Patrick, hör auf! « Ich hob schützend die Arme vors Gesicht.
    Noch immer schlug er wie ein kleiner Junge mit beiden flachen Händen auf mich ein, schüttelte mich, riss mich an den Haaren und wiederholte: »Du willst unser Kind umbringen!«
    Patricks wehleidiges Zornesgeheul hallte durch das ganze Raubtierhaus. Die Nervosität der Tiere stieg, rings um uns herum war das Fauchen und Knurren zu hören.
    »Bitte, hör mir doch mal zu! «
    Patrick ließ von mir ab. Endlich. Er rutschte neben mich auf die Bank, atmete schwer, legte seine Hand auf meine und hielt sie fest. Ich konnte nicht weglaufen. Ich wusste, wie stark sein Griff sein konnte. Mehr als einmal hatte ich schon versucht, ihm zu entkommen. Auch wenn die Hand jetzt ganz locker dalag, ein Zucken meinerseits und sie würde sich in eine Stahlklaue verwandeln. Ich musste jetzt taktisch handeln.
    »Ich habe noch gar nichts entschieden«, sagte ich so ruhig und freundlich wie möglich. »Noch ist unser Kind da, es lebt und wächst, und je mehr du mich anbrüllst und schikanierst, desto mehr schadest du ihm. Ich bin sicher, es kriegt alles schon mit, was hier passiert.«
    »Dann kriegt es ja auch mit, was du Montag mit ihm vorhast!«, konterte Patrick kalt, und ich musste einsehen, dass er meine beruhigenden Worte durchschaut hatte. Er mochte ein bisschen gestört sein, dumm war er nicht.
    »Weißt du, Linda, was mich am meisten geschockt hat? Dass du es klammheimlich verschwinden lassen wolltest, ohne mir auch nur ein Sterbenswörtchen davon zu erzählen. Ohne mir nur die geringste Chance zu geben, meine Meinung zu äußern, Vorschläge zu machen, Hilfe anzubieten.« Er nickte vor sich hin. »Das ist grausam. Wirklich grausam.«
    Mir wurde schlecht vor Angst. Wenn Patrick in einer solch rachsüchtigen Stimmung war, war er zu allem fähig. Das Schlimmste aber war, dass er mit seinem Vorwurf gar nicht so falsch lag, das Kind war ja schließlich auch seines, hatte er nicht ein Recht darauf, von seiner Vaterschaft zu erfahren?
    Ich konnte nicht darüber nachdenken, das konnte ich nie, wenn Patrick bei mir war. Immer war er mir rhetorisch überlegen, immer fühlte ich mich ihm verpflichtet, weil er mich liebte, weil er in seiner Liebe bemitleidenswert war, weil er als Liebender Ansprüche stellte.
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