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Eichmann-Syndikat: Tom Sydows fünfter Fall (German Edition)

Eichmann-Syndikat: Tom Sydows fünfter Fall (German Edition)

Titel: Eichmann-Syndikat: Tom Sydows fünfter Fall (German Edition)
Autoren: Uwe Klausner
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kaum
noch zu steigern war.
    Es half
alles nichts, spornte sich Morell an, während er auf die Uhr schaute und das Tor
des Charlottenburger Schlosses durchschritt. Man musste jede sich bietende Chance
nutzen. Getreu dem Sprichwort, dass jeder, sogar ein versoffener Salonlöwe wie er,
einmal ein Korn finden würde.
    Die Frage
war nur, wann. Und vor allem wo.
    Erschrocken
über den eigenen Sarkasmus, überquerte der Boulevardreporter den Ehrenhof und steuerte
auf den Eingang zu, vorbei am Standbild des Großen Kurfürsten, für das er nur ein
müdes Lächeln übrig hatte. Heldenposen, Preußen-Nostalgie und damit Hand in Hand
gehende Phrasen von Pflichterfüllung und Disziplin waren ihm ein Gräuel, und das
nicht erst seit der Zeit, die er im Untergrund verbracht hatte. Wesentlich mehr
konnte er da schon den Freuden des Lebens abgewinnen, weshalb er beschloss, den
Charmeur zu geben und ein wenig mit der Kassiererin, einer alten Bekannten, herumzuschäkern.
Balsam für seine Seele wie auch diejenige der vollschlanken Blondine, welche den
Zenit ihrer Anziehungskraft längst überschritten hatte.
    Dann aber,
Schlag halb zwölf, fand das Süßholzraspeln ein abruptes Ende. Theodor hauchte ein
sehnsuchtsvolles »Adieu«, trat hinaus in den Park und folgte der Hauptachse, nicht
ohne einen Blick auf die Prunkvasen, Buchsbaumkegel, Zierbeete und das Fontänenbecken
zu werfen, welches den Mittelpunkt des Gartens bildete. An allen Ecken und Enden
blühten Blumen, und der Duft von Hyazinthen und Narzissen stieg ihm in die Nase.
Das Wetter indes ließ zu wünschen übrig, und wie er so dahineilte, zogen von Norden
her dunkle Wolken auf. Der Park selbst war nahezu menschenleer, was das Unbehagen,
welches ihn beschlich, noch verstärkte.
    Am Karpfenteich,
ohne Blick für die Putten, Vasen und die idyllische Szenerie, bog Theodor schließlich
nach links. Der Wind, bislang eher lau, frischte merklich auf, und als er die Tannenallee
erreichte, an deren Ende sich das Mausoleum befand, spürte er die ersten Tropfen
auf seiner Haut. Für Morell ein Grund mehr, seinen Schritt zu beschleunigen und
die wenigen Meter, welche ihn von seinem Ziel trennten, im Laufschritt zurückzulegen.
    Als er dort
eintraf, legte der Boulevardreporter eine Verschnaufpause ein. Das Mausoleum, ein
dorischer Tempel im Kleinformat, und die dazu gehörige Säulenfront aus Findlingsgranit
boten ein tristes Bild. Ein Eindruck, der von der Inschrift über dem Portal noch
verstärkt wurde. Morell runzelte die Stirn. Ein Alpha, das Christusmonogramm und
ein Omega, der erste und letzte Buchstabe des griechischen Alphabets. [16] Im Grunde nichts,
womit man ihn, den ehemaligen Jünger von Karl Marx, hinterm Ofen hervorlocken konnte.
Jeder Mensch, auch er, musste einmal sterben.
    Die Frage
war lediglich, wann.
    Und an welchem
Ort.
    Überzeugt,
dass es sich bei Letzterem nicht um das über 150 Jahre alte Mausoleum handeln würde,
ließ der Boulevardreporter das Herumphilosophieren sein und erklomm die Stufen,
die zum Portal führten. Dort angekommen, wandte er sich noch einmal um. Stille,
mit Ausnahme gelegentlicher Windstöße durch nichts unterbrochene Stille. Der Geruch
von Tannennadeln, verblühendem Ginster und feuchtwarmer Erde.
    Friedhofsgeruch.
    Und von
der Frau, die er zu treffen hoffte, nichts zu sehen.
    Auch nicht,
als er sich im Inneren des Mausoleums umschaute, die Gedächtnishalle betrat und
einen Blick auf die Grabmonumente warf. Wie jedermann bekannt, war dies der Ort,
an dem Luise, Königin von Preußen und Todfeindin Napoleons, ihr Mann, Friedrich
Wilhelm III., sowie der gemeinsame Sohn, nachfolgenden Generationen als Kaiser Wilhelm
I. bekannt, nebst Gattin Augusta begraben waren.
    Beim Anblick
des Sarkophags aus Carraramarmor, auf dem die früh verstorbene Königin wie eine
Schlafende dargestellt war, konnte sich Morell eines beklemmenden Gefühls nicht
erwehren. Er, der diesem Ort nichts abgewinnen konnte, sah sich einmal mehr um und
ließ den Atem, den er unbewusst angehalten hatte, entweichen. Wider Willen und sonstige
Gewohnheiten hatte er sich von der düsteren Stimmung und dem Halbdunkel ringsum
anstecken lassen. Ausgerechnet er, der von der Gestapo [17] durch halb Berlin gehetzt worden war. Morell schüttelte
unwirsch den Kopf. Allmählich sah er wirklich Gespenster, und ihm war, als warte
er bereits seit Stunden hier.
    Um der Melancholie,
die ihn beschlich, Herr zu werden, warf Morell einen Blick auf die Uhr. Fünf vor
zwölf, allerhand. Zehn
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