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Ehrbare Händler: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Ehrbare Händler: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Ehrbare Händler: Historischer Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Frank Domeier
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Händler war schon durch die Tür verschwunden. Nachlässig warf er seinen Hut auf das Bett. Er setzte sich an den Tisch, stützte den Kopf auf die Arme. Er atmete schwer. Dicke Schweißperlen liefen ihm über die Stirn und tropften auf die Listen auf dem Tisch. Zahlen und Buchstaben zerliefen. Aber das interessierte ihn nicht mehr. Jetzt nicht mehr. Geschäfte, Güter, Geld waren völlig nebensächlich geworden. Unbedeutend. Das war eine vergangene Welt. Die war für ihn unwiederbringlich verloren.
    Seine Frau stand noch vor der Tür. Er hörte das ungeduldige Klopfen ihrer Fußspitze. Was er auch gesagt hätte, es wäre gleich gewesen. Sie hätte es nie akzeptiert. Er könnte ihr alles erklären, was ihn bewegte, worüber er sich Gedanken machte, welche Sorgen er hatte. Aber … sie hatte ihn noch nie verstehen wollen und würde es auch jetzt nicht tun. Für sie waren ihre Ansichten und ihre Vorstellungen das Maß aller Dinge.
    Johannes Bode legte sich erschöpft auf sein Bett und schloss die Augen. Er versuchte, an nichts zu denken. Er wollte die bösen Gedanken verscheuchen. Aber es war unmöglich. Immer wieder hörte er sein Todesurteil. Immer wieder diese bedrohlichen, endgültigen Worte. Eigentlich war er schon tot, nur sein Körper lief noch herum. Atmete, ging, legte sich hin. Er hatte keine Zukunft mehr, kein Zuhause, keine Familie, keine Freunde. Das Geschäft war verloren, Frau und Tochter mittellos. Er konnte sich nicht mehr verstecken. Alle wären hinter ihm her, um ihn zu vernichten. In ein paar Tagen wäre er wirklich tot. Ein Niemand. Keiner, an den man sich gerne erinnern wollte.
    Anna stand unschlüssig vor der Tür. So wie immer, wenn sie ihn zurechtweisen musste, hatte er sich auch jetzt in seine schmierige Höhle verzogen. Sie sah es beim besten Willen nicht ein, ihm hinterherzulaufen. Ein wenig mehr Respekt vor ihr stände ihm gut. Am besten ginge sie morgen zu ihrem Bruder. Der wusste immer genau, was zu tun war. Johannes brauchte jetzt strenge Zucht. Entschlossen drehte sie sich um und ging in ihre Kammer.
    Das viele Bier tat seine Wirkung. Der Händler schlief ein. Unruhig wälzte er sich hin und her. Als er im Traum wieder den Boten des Todes sah, wachte er schreiend auf. Schweißgebadet und nach Luft ringend sprang er auf. Er wusste nun, was zu tun war. Er musste sofort handeln. Schneller sein als die anderen. Nur so hatte er eine letzte kleine Möglichkeit, die Ehre und die Zukunft seiner Tochter zu retten.
    Leise verließ er seine Kammer und schlich sich durch die Hintertür aus dem Haus. Keiner sollte wissen, was er vorhatte und wohin ihn sein Weg führte.

In Minden
    Montag, 23.5.1385
    Ludolf, der Sohn des Verwalters beim Damenstift Möllenbeck, stand vor dem Dom von Minden und blickte um sich. Es war gerade einmal ein dreiviertel Jahr her, seitdem er hier mit der Nonne Agnes von Ecksten den Mord an der Witwe Kuneke Wiegand aufgeklärt hatte. Der Bischof Otto von Minden 2 hatte sie damals durch Vermittlung der Äbtissin Heilwig 3 , der Cousine des Bischofs, nachforschen lassen.
    Aber etwas war jetzt anders. Nicht der große Dom, nicht das aus dem gleichen Sandstein erbaute Gebäude links davon, in dem sie dem Bischof zum ersten Mal begegnet waren, nicht die Priester, die über den kleinen Platz gingen, oder die Gläubigen auf dem Weg zur Andacht – nein, das war alles noch so wie damals.
    Was anders war, war, dass jemand fehlte: Agnes. Sie – Nonne und Scholasterin im Kloster Möllenbeck – und er hatten bei ihren gemeinsamen Nachforschungen zueinandergefunden. In ihrer Kindheit und Jugend waren sie wie Hund und Katz gewesen, hatten sich ständig gestritten und immer wieder versucht, besser als der andere zu sein. Aber während ihrer Zeit hier hatten sie dann überraschenderweise gemerkt, wie nah sie sich eigentlich standen. Wie genau sie einander kannten. Jedoch stand Agnes’ Gelübde zwischen ihnen. Die junge Frau wollte ihrem Schwur nicht untreu werden. So waren sie sich nach ihrer Rückkehr nach Möllenbeck aus dem Wege gegangen. Die Erinnerung an die gemeinsame Zeit tat einfach zu weh. Höchstens zehn Worte hatten sie in den vergangenen Monaten gewechselt, und jedes Mal waren Agnes die Tränen gekommen. Ludolf hatte es vor Sehnsucht fast das Herz zerrissen.
    Am letzten Samstag war jedoch ein Brief bei der Äbtissin angekommen. Der Bischof von Minden bat sie beide wieder um Mithilfe in einem schwierigen Fall. Es ging um einen Händler und dessen rätselhaften Tod. Ludolf bekam
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