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Ehrbare Händler: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Ehrbare Händler: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Ehrbare Händler: Historischer Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Frank Domeier
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Der verzweifelte Händler
    Dienstag, 17.5.1385
    Anna Bode war verärgert. Warum kam Johannes immer so spät nach Hause? Konnte er nicht einmal pünktlich sein – wenigstens einmal täglich zur gemeinsamen abendlichen Mahlzeit mit ihr und der Tochter? Nie nahm er Rücksicht auf die Familie. Ständig ging es nur um ihn und seine Befindlichkeiten.
    Bald war es Mitternacht. Jeden Moment konnte die Stimme des Nachtwächters ertönen. Sie legte ihre Stickerei vorsichtig auf die Knie. Ihre Augen schmerzten. Auch die hellste Öllampe des Haushalts, die jetzt neben ihrem Sessel auf dem kleinen Tisch stand, spendete für eine solch feine Handarbeit nicht genügend Licht. Sie lehnte sich zurück und schloss müde die Augen.
    War er wieder mit Freunden unterwegs? Mit diesen Handwerkern? Mit anderen Händlern dagegen traf er sich selten. Wenn er so weitermachte, würde er niemals Bürgermeister werden. Ein Platz im Rat der Stadt allein war auf die Dauer kein sicheres Vorankommen für ihr Geschäft. Nach all den Jahren, in denen sie ihn immer antreiben und ihm den richtigen Weg hatte zeigen müssen, erwartete sie ein wenig mehr. Schließlich mussten sie auch für ihre Tochter so bald wie möglich einen vermögenden und akzeptablen Bräutigam finden. Bei der nächsten Bürgermeisterwahl musste Johannes das lang ersehnte Amt einfach bekommen.
    Oder … traf er gar irgendwelche Frauen? Sie selbst hatte mit dem Thema Liebe nichts mehr zu schaffen, hatte ihn schon oft genug ertragen müssen, weil sie nachts vergessen hatte, ihre Kammer abzuschließen. Es war schon Mühsal genug gewesen, ein Kind zur Welt zu bringen; bei mehreren Kindern gab es doch sowieso nur Ärger wegen des Erbes. Aber zum Glück war sie inzwischen aus dem Alter heraus. Eine Händlersfrau hatte es mit siebenunddreißig nicht mehr nötig, mit einem dicken Bauch herumzustolzieren.
    Eine Tür im unteren Stockwerk wurde geöffnet, wieder geschlossen, ein Riegel betätigt. Anna Bode atmete tief durch und machte sich bereit. Schritte auf der knarrenden Treppe. Die große, hagere Frau stand auf und richtete ihren strengen Blick auf die Tür.
    Ein Mann von knapp fünfzig Jahren betrat leise die Stube. Er hatte seinen Hut in der Hand und ging leicht gebeugt, als würde er eine schwere Last tragen. Er sah seine Frau erst, als er unmittelbar vor ihr stand. Erschrocken richtete er sich auf und starrte sie an.
    »Schämst du dich nicht?«, schleuderte sie ihm mit scharfer Stimme entgegen.
    In Johannes Bodes ausdruckslosem Gesicht zeigte sich keine Regung.
    »Weißt du nicht, wie spät es ist? Wohl wieder mit deinen Zechkumpanen getrunken? Ich rieche doch, wie du nach Bier stinkst. Oder waren es Frauen?«
    Er öffnete den Mund, um ihr zu antworten. Aber dann atmet er nur tief durch und schloss die Augen.
    »Also habe ich recht. Du bringst uns noch alle in Verruf. Ein Wunder, dass ich nicht schon vor Gram gestorben bin! Hätte ich das damals gewusst, wäre ich nie deine Frau geworden. Dir geht es doch nur um dich und deine Vergnügungen! Ich verabscheue dich!«
    Endlich sagte der Händler doch etwas, mit leiser Stimme: »Du verstehst gar nichts. Du hast mich noch nie verstanden.«
    »Gott behüte! Glücklicherweise verstehe ich nicht, wie man sich immer wieder mit fremden Frauen abgeben kann. So wirst du nie Bürgermeister! Du machst mich zum Gespött der Menschen. Wie soll ich mit solch einer Schande leben? Kannst du mir das sagen?«
    »Du brauchst mit keiner Schande zu leben. Falls ich einen Fehler gemacht habe, werde ich allein dafür geradestehen.«
    Anna Bodes Stimme gewann noch mehr an Schärfe: »Du gibst es also zu? Du elender Heuchler! Also trifft dein Unheil auch uns. Du bist einfach schamlos!«
    Ohne ein weiteres Wort ging der Händler an seiner Frau vorbei zu einer kleinen Kammer, in der er seine Geschäftsbücher lagerte und wo auch ein kleines Bett stand. Hier verbrachte er seit Jahren seine einsamen Abende und Nächte. Das war sein Zufluchtsort, der einzige Platz, an dem er Ruhe fand. Seine Frau hatte den Raum nie betreten, weil sie es als unter ihrer Würde ansah, das Durcheinander darin auch nur sehen zu müssen: die Bücher und Papiere, die sich auf und neben dem kleinen Tisch stapelten, die grob gezimmerten Regale mit kleinen Kästen und Säckchen voller Warenproben.
    Anna Bode folgte ihrem Mann laut lamentierend: »Du kannst dich doch nicht wie ein dahergelaufener Tagelöhner davonschleichen! Ich rede mit dir! Du hast mir gefälligst zuzuhören!«
    Doch der
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