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Echo Einer Winternacht

Titel: Echo Einer Winternacht
Autoren: Val McDermid
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versuchte wieder zu Atem zu kommen, schaffte es aber nicht. »Am Hallow Hill liegt ein Mädchen«, platzte er heraus.
    »Sie ist überfallen worden. Sie blutet ziemlich stark und braucht Hilfe.«
    Der Polizist kniff gegen den Schnee die Augen zusammen und runzelte die Stirn. »Sie ist überfallen worden, sagen Sie. Woher wissen Sie das?«
    »Sie ist überall blutig. Und …« Alex unterbrach sich, um nachzudenken. »Und sie ist für das Wetter nicht richtig angezogen. Sie hat keinen Mantel an. Hören Sie, können Sie einen Krankenwagen und einen Arzt holen, oder so? Mann, sie ist wirklich schwer verletzt.«
    »Und Sie haben sie ganz zufällig mitten im Schneesturm gefunden, was? Haben Sie vielleicht etwas zu viel getrunken?«
    Die Worte klangen überheblich, aber die Stimme verriet Angst.
    Alex konnte sich vorstellen, dass so etwas in dem stillen Vorort von St. Andrews nicht oft mitten in der Nacht vorkam.
    Irgendwie musste er jedoch diesen Trottel davon überzeugen, dass es ihm ernst war. »Natürlich hab ich etwas getrunken«, sagte er und konnte seine Frustration nicht mehr bezähmen.
    »Warum sollte ich sonst zu dieser Zeit hier draußen sein?
    Also, ich habe mit meinen Freunden eine Abkürzung zum Studentenheim genommen, und wir haben dabei allerhand Quatsch gemacht, ich bin bis oben auf den Hügel vorausgerannt, dann gestolpert und direkt auf sie gefallen.« Seine Stimme wurde laut und eindringlich. »Bitte. Sie müssen helfen. Sie könnte da draußen sterben.«
    Der Polizist sah ihn prüfend an, es kam Alex wie mehrere Minuten vor, dann stieg er in den Wagen, begann ein unverständliches Gespräch auf seinem Funkgerät und streckte schließlich den Kopf heraus. »Steigen Sie ein. Wir fahren zum Trinity Place hoch. Aber ich hoffe, dass Sie nicht nur herumalbern, Junior«, sagte er grimmig.
    Der Wagen schlitterte mit den für dieses Wetter ungeeigneten Reifen die Straße hoch. Die wenigen Autos, die davor auf der Straße gefahren waren, hatten Spuren hinterlassen, die jetzt nur noch als schwache Eindrücke auf der glatten weißen Oberfläche zu sehen waren, ein Beweis dafür, wie heftig es schneite. Der Polizist fluchte leise, als das Auto in der Kurve fast an einem Laternenpfahl gelandet wäre. Am Ende des Trinity Place wandte er sich an Alex. »Also, dann zeigen Sie mir mal, wo sie liegt.«
    Alex lief los und folgte dabei seinen eigenen, schnell im Schnee verschwindenden Spuren. Mehrmals schaute er sich um, ob der Polizist noch hinter ihm war. Einmal brauchten seine Augen ein paar Momente, um sich auf die tiefere Dunkelheit einzustellen, als das Licht der Straßenbeleuchtung von den Bäumen verdeckt wurde, und er fiel fast der Länge nach hin.
    Der Schnee ließ die Landschaft in einem eigenen, seltsamen Licht erscheinen, das die dichten Büsche größer und den Weg zu einem schmaleren Band als sonst werden ließ. »Hier lang«, sagte Alex und bog nach links ab. Ein kurzer Blick über die Schulter bestätigte ihm, dass sein Begleiter direkt hinter ihm war.
    Aber der Polizist zögerte. »Sind Sie sicher, dass Sie keine Drogen genommen haben, Junior?«, sagte er misstrauisch.
    »Kommen Sie«, drängte Alex, als die dunklen Schatten über ihm sichtbar wurden. Ohne zu warten, ob der Polizist ihm folgte, eilte Alex den Hang hinauf. Er war fast dort, als der junge Beamte ihn überholte und unvermittelt ein paar Schritte vor der kleinen Gruppe stehen blieb.
    Ziggy kauerte noch neben der Frau, sein Hemd war von Schnee und Schweiß durchnässt und klebte an seinem dünnen Oberkörper. Weird und Mondo standen hinter ihm, hatten die Arme verschränkt, die Hände unter die Achseln gesteckt und die Köpfe zwischen die Schultern gezogen. So versuchten sie zwar nur, sich ohne ihre Mäntel warm zu halten, boten aber dadurch einen eher ungünstigen und arrogant wirkenden Anblick.
    »Was ist denn hier los, Jungs?«, fragte der Polizist und versuchte, aggressiv zu klingen, um gegenüber ihrer zahlenmäßigen Überlegenheit seine Autorität zu behaupten.
    Ziggy richtete sich mühsam auf und strich sich die nassen Haare aus den Augen. »Sie kommen zu spät. Sie ist tot.«
     
    2
    ichts in den einundzwanzig Jahren seines Lebens hatte N Alex auf eine Vernehmung durch die Polizei mitten in der Nacht vorbereitet. Bei Krimis im Fernsehen oder im Kino sah das immer so planmäßig aus. Aber tatsächlich war die mangelnde Organisation bei der ganzen Sache irgendwie nervenaufreibender, als es jede militärisch präzise Aktion hätte sein
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