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Die Tochter des Magiers 02 - Die Gefährtin

Titel: Die Tochter des Magiers 02 - Die Gefährtin
Autoren: Torsten Fink
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Prolog
    Das Land ertrank im Regen. Schauer auf Schauer zog über den schwarzen Fluss, und ferne Blitze zuckten über den Nachthimmel. Mitten im nächtlichen Strom zeichneten sich die Umrisse einer Siedlung ab, Pfahlbauten, die auf einer Insel dem Regensturm trotzten. Es war still in den Hütten. Niemand erzählte Geschichten, und nirgendwo lachten Kinder, die Siedlung schien nur auf den strömenden Regen zu lauschen. Die letzten Lichter wurden gelöscht, und die Finsternis legte sich schwermütig auf das Dorf. Nur in einem Haus brannte noch Licht. Eine einzelne Kerze kämpfte dort gegen die Schatten. Vor kurzem noch war das Samnath, das Versammlungshaus, voller Menschen gewesen, jetzt waren die Laternen gelöscht und die Menschen gegangen. Nur drei Männer waren zurückgeblieben. Sie saßen im Lichtkreis der schwachen Flamme und starrten schweigend auf ein weißes Tuch, das vor ihnen auf dem Boden ausgebreitet lag. Gelegentlich wehte der Wind feine Regenschleier durch die vielen schmalen Schlitze, die dem Haus als Fenster dienten. Zwölf Schilfrohrstücke lagen auf dem Tuch.
    »Schlange, Boot und Mädchen, die Zeichen sind eindeutig«, sagte jetzt der jüngste der drei. Sein Gesicht war gerötet, und seine Hände schwitzten.
    Die beiden Älteren schwiegen, einer von ihnen drehte geistesabwesend mit seiner rechten Hand Hanffasern zu einem Seil. Schatten tanzten an der Wand. Wie zum Beweis seiner Behauptung deutete der Jüngere nacheinander auf die Halmstücke zu seinen
Füßen. Sie waren mit schwarzen Zeichen versehen. »Schlange, Boot und Mädchen«, wiederholte er. Er wirkte unruhig und seltsam aufgekratzt.
    »Wir haben es gesehen«, sagte einer der beiden Älteren seufzend. Sein Haar bildete einen schütteren grauen Kranz um den Schädel. Er sah besorgt aus.
    Der Jüngere war nicht zu beruhigen: »Ihr wart dabei, als ich das Schilf geschnitten habe, ihr habt zugesehen, wie ich die heiligen Zeichen auf den Halmen anbrachte. Die Klinge war in der Flamme gereinigt, das Tuch weiß und neu, wie es der Brauch verlangt.«
    »Niemand unterstellt dir einen Fehler«, sagte der Grauhaarige wieder.
    »Aber warum sind wir dann noch hier?«
    Der Dritte, der bisher geschwiegen hatte, beugte sich vor und warf einen langen Blick auf die zwölf Halme. »Es gibt viel zu bedenken«, sagte er. Er hatte dichtes, schlohweißes Haar.
    »Bin ich euer Edaling, oder nicht?«, fragte der Jüngste herausfordernd. Sein Blick wirkte unsicher.
    »Du bist es«, erwiderte der Graue ruhig, »doch das ist keine kleine Sache. Es gibt viel zu bereden. Und deshalb habe ich euch gebeten zu bleiben.«
    Der Weißhaarige wandte den Blick nicht von den Schilfstücken. Drei waren zur Seite gelegt worden. »Bevor wir aber über das reden, was nun zu tun ist, habe ich noch Fragen«, sagte der Weißhaarige.
    »Die Zeichen waren eindeutig!«, sagte der Jüngste. In seiner Stimme schwang Trotz mit.
    »So ist es, und genau das lässt mich zweifeln«, meinte der Weißhaarige. »Ich frage euch: Wie oft haben wir das Auwara schon befragt? Und wie oft waren die Zeichen so klar? Haben wir sonst nicht stundenlang beraten müssen, um zu verstehen, was das Schilf sagen will?«

    »Und immer warst du es, der an meiner Deutung gezweifelt hat«, giftete der Jüngste.
    »Beruhige dich, das war schon bei deinem Vater und dessen Vater nicht anders«, sagte der Graue begütigend. »›Immer der Seiler‹, haben sie gesagt, und beklagt, dass seine Gedanken verschlungener seien als die Netze, die er für uns fertigt.«
    »Also stört dich, dass du deinem Edaling heute zustimmen musst?«, fragte der Jüngste noch einmal, so als hätte er den Grauen nicht gehört. Sein Gesicht war rot vor Erregung.
    »Ich sage nur«, erwiderte der Weißhaarige bedächtig, »dass ich so etwas noch nie erlebt habe.«
    »Keiner von uns hat das«, sagte der Graue, »aber von uns hat auch noch keiner erlebt, dass Sie erwacht.«
    »So ist es«, sagte der Edaling schnell, »wir alle kennen nur die alten Geschichten. Und keiner von uns wusste, was zu tun ist. Aber das Auwara hat unsere Fragen beantwortet! Eindeutig!«
    »Ich kann sehen, was es verlangt, wir alle können das«, erwiderte der Seiler. »Es ist nur so, dass dieses Opfer seit vielen Menschenaltern nicht mehr gebracht wurde.«
    Der Edaling sprang erregt auf. »Willst du dich gegen das Auwara stellen?«
    Der Graue legte ihm begütigend die Hand auf den Arm und sagte, an den Weißhaarigen gewandt: »Es war nicht nötig, weil Sie sich so lange nicht
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